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Zeitung << 2/2004 << Interview mit Professor Péter Bassola


„Mein Hobby ist mein Beruf.“
Interview mit Professor Péter Bassola

Autorinnen: Renáta Récsi, Annamária Széll

Wir wünschen Ihnen nachträglich viel Glück zum 60. Geburtstag! Viele Leute wunderten sich, als sie hörten, den wievielten Geburtstag Sie feiern. Sie sehen ja viel jünger aus!
Vielen Dank für die herzlichen Glückwünsche! Man arbeitet, macht Forschungen, aber versucht auch, gesund zu leben. Ich trinke wenig Alkohol, rauche nicht. Ich fühle mich auch körperlich und gesundheitlich viel besser, wenn ich mich regelmäßig bewege. Ich fahre viel Rad und jogge einmal oder zweimal in der Woche.

Warum gerade die deutsche Sprache? Sie sprechen ja viele Sprachen. Wie kamen Sie in Berührung mit dieser Sprache?
Ich habe in der Schule nie Deutsch gelernt. In meiner Zeit musste man unbedingt eine Fremdsprache lernen und das war Russisch. In der Grundschule habe ich nur Russisch gelernt. Als die Revolution 1956 ausbrach und dann wieder der Unterricht aufgenommen wurde, dann konnten wir eine Zeit lang nur eine Fremdsprache lernen. Ich habe 1957 ein halbes Jahr in der Schule Deutsch gelernt. Dann habe ich später von meinen Eltern Deutsch gelernt. 1962 war ich zum ersten Mal im Ausland. In einem Monat habe ich sehr viel Deutsch gelernt. Ich habe mich dann mit meinem Vater auf die Aufnahmeprüfung vorbereitet. 1964 konnte ich mit dem Studium beginnen. In diesem Jahr habe ich als Reiseleiter in den Semesterferien gearbeitet. Ich habe kein Stipendium bekommen, aber durch die Reiseleitung habe ich Erlebnisse gehabt, die ich anders vielleicht sehr schwer oder fast überhaupt nicht hätte haben können. Jede Woche hatte ich eine Gruppe aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Die Dialekte haben mein Interesse auch auf die Sprachgeschichte und die Dialektologie gelenkt.

Zu Ihrem 60. Geburtstag ist eine Festschrift erschienen.
Ja, es war eine große Überraschung. Die Festschrift wurde von vier Doktoranden herausgegeben und von drei weiteren Doktoranden betreut. Ich habe es als eine große Ehre betrachtet und ich freue mich sehr über dieses schöne Buch.

Was sind Ihre Erfahrungen, in welchem Maß beschäftigen sich die Studenten mit der Linguistik? Oder ist die Literatur populärer?
Ich glaube, das ist eine schwere Frage. Man kann nicht genau sagen, ob sich die Studierenden mehr für die Linguistik oder mehr für die Literatur interessieren. Einerseits ist das im Einzelfall unterschiedlich, andererseits können wir vielleicht sagen, dass mehr Studierende in der letzten Zeit ein Thema wählten, das mit der Literaturwissenschaft zusammenhängt. Aber ich finde immer wieder Studierende, die sich mit großem Interesse mit der Linguistik beschäftigen und die auch gute Erfolge erzielen. Die Linguistik setzt ein kontinuierliches Lernen voraus, eine kontinuierliche Beschäftigung mit dem Thema. Man kann sich mit der Linguistik kaum beschäftigen, wenn man nur ein Gebiet auswählt und nur auf diesem Gebiet arbeitet. Die Kenntnisse und die Beziehungen sind sehr umfangreich und man muss wirklich hart arbeiten. Die Literatur ist auch nicht so leicht verständlich wie z.B. die Belletristik. Man muss sehr konzentriert Fachtexte lesen.

Was kann ein Germanistikstudent heute mit seinem Diplom erreichen?
Ich möchte vorausschicken, dass ein einziges Diplom (für Germanistik) im Allgemeinen wenig ist. Ich bin mit Professor Bernáth der gleichen Meinung, dass die Studenten zwei Fächer studieren sollten. Mit einem Diplom in Germanistik kann man zwar unterrichten, aber wie ich in der letzten Zeit gehört habe, werden immer weniger Lehrer gebraucht. Außerdem kann man damit dort arbeiten, wo ein Diplom notwendig ist, wie in Kulturhäusern, Theatern, oder auch als Übersetzer, Dolmetscher. Aber man kann mit zwei Fächern viel mehr erreichen. Ich habe auch zwei Fächer studiert (Latein und Germanistik), es war damals das Studium eines Faches auch nicht möglich.

Was ist ihre Meinung über den Bologna-Prozess?
Wie ich im internationalem Kontext sehe, wird darunter in jedem Land etwas anderes verstanden, und dementsprechend sehen die Vorbereitungen dazu aus. In Ungarn wird die erste Stufe, die ersten drei Jahre, jetzt vor allem mit der Zielsetzung geplant, dass die Studierenden praktische Kenntnisse bekommen und mit diesen praktischen Kenntnissen zu arbeiten beginnen. Das Universitätsstudium muss aber parallel neben den praktischen Kenntnissen sehr intensiv philologisches, theoretisches Wissen vermitteln, und nur auf diesem theoretischen Fundament, das für diese erste Stufe nicht notwendig ist, könnten die weiteren Fachkenntnisse aufgebaut werden. Ich meine, dass der Bologna-Plan viel gründlicher durchdacht werden sollte. Man sollte sich viel mehr Zeit lassen, um sich darauf einzustellen. Ich verstehe eigentlich auch nicht, warum man im September 2005 mit diesem Studium, mit dieser neuen Einrichtung beginnen wird, wenn der Bologna-Plan vorschreibt, dass erst bis 2010 damit begonnen werden muss. Wir hätten noch reichlich Zeit, und man sollte vielleicht Vorstudien machen und erst untersuchen, wie man diese erste Phase durchführen soll. In zwei, drei Monaten kann man das nicht vorbereiten.

Sie betonten immer, dass die Aufnahmeprüfung neben den sprachlichen und fachlichen Kenntnissen auch die Eignung für dieses Fach aufzeigen kann. Wird der persönliche Kontakt mit den Bewerbern nicht fehlen und das Niveau dadurch nicht sinken, wenn die Aufnahmeprüfungen nun verschwinden?
Wir wissen noch nicht, wie das zweistufige Abitur funktionieren wird. Wenn es wirklich so funktioniert, wie ich das gehört habe, nämlich dass zwanzig Prozent der Höchstleistung genügen, um aufgenommen zu werden, dann ist das ein sehr niedriges Niveau. Wir müssen davon ausgehen, dass wir ein bestimmtes Niveau als Grundlage haben müssen. Wenn die Kenntnisse der Studenten am Anfang zu niedrig sind, dann muss man nachgeben und viel tiefer beginnen. Ich wünsche uns nicht, dass wir dann in eine Situation kommen, die es auch heute in Amerika gibt, nämlich dass die Studierenden am Anfang des Studiums überhaupt nicht wissen, was sie studieren werden, weil sie in den ersten ein-zwei Jahren nachholen müssen, was sie in der Mittelschule nicht gelernt haben. In Europa, auf preußischem „Schulgebiet“ und auch in Osteuropa, hatte das Abitur bisher einen hohen Rang. Ich hoffe, dass dieses Niveau nicht zu sehr sinken wird.

Was gehört zu Ihrem Aufgabengebiet als Lehrstuhlleiter?
Ich muss erstens als Lehrender unterrichten, ich habe eine bestimmte Wochenstundenzahl. Ich halte Seminare und Vorlesungen. Das hängt noch nicht mit der Lehrstuhlleitung zusammen. Als Lehrstuhlleiter bin ich für den Stundenplan und für alle äußeren Umstände des Unterrichts verantwortlich. Ich bin ein Vermittler zwischen den Studierenden und der Lehrkörperschaft und der höheren Leitung der Universität. Ich sorge dafür, dass wir genügend Lehrkräfte haben, dass der Unterrichtsstoff gesichert wird, dass die Prüfungen richtig ablaufen, dass auch der Nachwuchs ausgebildet wird. Ich habe auch Kontakt zu anderen Universitäten im Ausland, besonders in Deutschland, aber auch in anderen Ländern. Wir geben uns Mühe, mehr Gastprofessoren einzuladen. Als Lehrstuhlleiter werde ich zu Gesprächen, Tagungen eingeladen. Ich darf noch hinzufügen, dass ich das große Glück habe, sagen zu können, mein Hobby ist mein Beruf.

Warum arbeiten Sie in Szeged? Sie wohnen ja in Budapest.
Ich kann sagen, dass meine Laufbahn als Germanist und als Linguist nicht leicht begonnen hat. Ich habe das Studium 1969 abgeschlossen. Danach konnte ich weder an einer Universität noch irgendwo in einer Schule mit meinen beiden Fächern (Latein und Deutsch) arbeiten. Ich habe damals bei einer Firma gearbeitet, wo ich zum Teil auch Deutsch unterrichtet, zum Teil übersetzt und gedolmetscht habe. Dann konnte ich nach vier Jahren am Fremdspracheninstitut der Wirtschaftsuniversität arbeiten. Dort habe ich 17 Jahre lang im Bereich Deutsch als Fremdsprache gearbeitet. Ich wurde von Professor Bernáth eingeladen hier zu unterrichten. Zwei Jahre (1988 bis 1990) habe ich als Lehrbeauftragter Sprachgeschichte unterrichtet. Die Atmosphäre hier am Lehrstuhl, die Studenten und die Umgebung faszinierten mich in dem Maße, dass ich mich entschlossen habe, nach Szeged zu kommen. Dann konnte ich 1990 an der Universität beginnen zu arbeiten.

Sind Sie mit dem Fleiß und der Kenntnis der Studenten zufrieden?
Kenntnis und Fleiß der Studenten könnten vielleicht ein bisschen mehr sein. Einerseits habe ich in den letzten Jahren den Eindruck gewonnen, dass diejenigen Studierenden, die zwei Fächer studieren, nicht schlechter sind als diejenigen, die nur ein Fach studieren. Eher im Gegenteil. Meistens zeigt die Erfahrung, dass die Studenten, die zwei Fächer studieren, auch in der Germanistik besser sind. Andererseits hängt es oft von dem jeweiligen Studenten ab, ob man fleißig ist oder nicht. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass man als Dozent nicht so viel nachgeben sollte, wenn sich die Studenten beklagen, sie haben wenig Zeit, sie können nicht so viel arbeiten. Man kann nicht nachgeben und weniger verlangen. Man muss soviel verlangen, was man für wichtig hält und was man auch für durchführbar hält. Deshalb meine ich, dass es wichtig ist, auch in der Prüfung strenger zu sein. Vielleicht war ich früher ein bisschen nachgiebiger, verständnisvoller. Ich habe auch jetzt Verständnis für die Probleme der Studierenden, aber ich verlange auch höheres Engagement. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich mit der Leistung einzelner Studierender oft sehr zufrieden bin, aber im Allgemeinen würde ich sagen, dass die Studierenden noch mehr leisten könnten.

Sie sind stolzer Vater von zwei Kindern. Was dürfen wir von ihnen wissen?
Ich freue mich, dass ich eine gesunde Familie habe. Meine Frau ist ebenfalls Deutschdozentin, sie unterrichtet an der Technischen Universität in Budapest. Wir haben den Vorteil, dass wir den gleichen Beruf haben. Wir haben zwei Kinder. Bálint ist 26 Jahre alt, Kinga ist 24. Beide haben Jura studiert. Bálint ist fertig mit dem Studium und arbeitet bei dem Kartellamt. Kinga ist im letzten Studienjahr. Ich freue mich, dass unsere Kinder Sprachen gelernt haben. Sie beherrschen drei Fremdsprachen auf hohem Niveau: Deutsch, Englisch und Französisch.

Was macht unser Lehrstuhlleiter in seiner Freizeit? Wir haben von Ihnen gehört, dass Sie Ski- und Radfahren sehr mögen.
Ich pflege ein, zwei Stunden in Budapest in den Bergen Rad zu fahren, oft mit meiner Tochter. In den letzten Jahren fahren wir zweimal pro Jahr mit einer Gesellschaft irgendwohin in Ungarn, wo wir drei, vier Tage unterschiedlich große Touren machen. Vor allem in unserer Gegend machen wir Langlauf, das heißt Ski fahren, aber nicht Abfahrt. Man kann das in jedem Alter beginnen und es ist sehr gesund. Ich habe auch Abfahrt gelernt, aber das ist sehr kostspielig.

Woran arbeiten Sie jetzt? Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Ich habe viele Pläne. Ich arbeite jetzt in einer Forschungsgruppe am zweiten Band des deutsch-ungarischen Substantivvalenzwörterbuches. Der erste Band ist 2003 erschienen (vgl. „Der Bericht über die Verhandlung oder a tárgyalásról szóló jelentés. Interview mit Prof. Dr. Péter Bassola anlässlich des Erscheinens des Deutsch-ungarischen Wörterbuches zur Substantivvalenz“, GeMa 1/2003 – Red.). Ich arbeite daneben noch an Beiträgen für die HSK-Bände (Handbücher für Sprach- und Kommunikationswissenschaft).

Sie haben am 15. März 2004 den Ritterkreuzorden der Republik Ungarn bekommen. Wir gratulieren Ihnen dazu nachträglich!
Danke. Diese hohe Staatsauszeichnung war eine große Überraschung für mich. Sie wird vom Staatsoberhaupt der ungarischen Regierung verliehen. Ich habe diesen Orden für meine wissenschaftliche Tätigkeit bekommen. Wahrscheinlich hängt das mit dem runden Geburtstagsjahr zusammen.

Herr Professor, vielen Dank für das Interview!
Gern geschehen.