Startseite | Impressum | Zeitung | Beiheft | Archiv nach Autoren | Archiv nach Rubriken








Zeitung << 1/2004 << Interview mit Lilian Molnár


Au-pair-Mädchen in Kirchheim
Interview mit Lilian Molnár

Autorin: Gabriella Dér

Ich studiere schon seit drei Jahren hier an der Universität in Szeged. Als ich an der Uni aufgenommen wurde, konnte ich nicht im Wohnheim wohnen, sondern musste eine Mietwohnung suchen. Glücklicherweise fand ich eine, in der auch eine Germanistikstudentin, Lilian wohnte. Sie war schon im zweiten Studienjahr und konnte mir viel bei der Kursbelegung helfen und gab mir auch viele Ratschläge. Da wir beide dasselbe Fach studieren, konnten wir zu Hause auch Deutsch sprechen, was zwar manchmal den anderen Wohnpartnern auf die Nerven ging, aber sehr nützlich war. 2003 bekam Lilian die Möglichkeit, in Deutschland als Au-pair-Mädchen zu arbeiten. Darüber sprach ich mit ihr.

Wie kam es, dass du nach Deutschland fahren konntest?
Ende 2002 sagte uns eine Bekannte, dass sie mir helfen könnte, in Deutschland einen Arbeitsplatz zu finden, um die Sprache lernen zu können. Diese Chance verpasste ich nicht. Sie half mir, den Papierkrieg zu erledigen: Fax mit Infos über mich und Fotos schicken, die die Familie ansehen konnte und noch einige Formalitäten. Ich war glücklich, weil ich schon im März 2003 eine Familie „bekam”.

Fuhrst du allein oder begleitete dich jemand?
Ich fuhr mit meinen Eltern. Ich bin ihre einzige Tochter, sie wollten mich unbedingt begleiten. Sie wollten wissen, wo ich zehn Monate lang leben werde.

Erzähl bitte von der Familie, den Kindern, den Eltern!
Die Familie war mir sehr sympathisch. Sie sind zu viert: der Vater beschäftigt sich mit Robotern, die Mutter arbeitet bei einem Verlag und sie haben zwei Kinder, Nicola und Fabian. Nicola ist 9 Jahre alt und geht in die dritte Klasse, Fabian ist 6 Jahre alt, schwerhörig und besucht seit September 2003 die Schule. Mit ihm musste ich mich mehr beschäftigen, damit er eine normale Schule besuchen kann. Die Kinder und die Eltern waren sehr nett und tolerant. Ich musste jeden Tag um halb sieben aufstehen. Die Kinder gingen mit ihren Eltern in die Schule und in den Kindergarten (seit September auch Fabian in die Schule) und kamen erst um zwei nach Hause. Am Vormittag musste ich aufräumen und waschen, also war ich eher Putzfrau als Babysitter, obwohl das im Vertrag nicht stand, aber es wurde später besprochen und ich bekam mehr Geld.

Wie beeinflusste dich der bayerische Dialekt?
Ich halte ihn für ein bisschen witzig, konnte manchmal fast gar nichts verstehen. Später erlernte ich einige Wörter, welche mich immer an München erinnern, wie zum Beispiel „Hockts eich hi!”, „Setzt euch an den Tisch!”.

Hast du irgendwo studiert?
Ja, ich studierte an der Maximilian-Universität in München, aber ohne Immatrikulation. Ich ging freiwillig in die Vorlesung. Ich interessiere mich sehr für Psychologie und ich mag Linguistik, so wählte ich eine psychologische und eine sprachwissenschaftliche Vorlesung. In der linguistischen Lehrveranstaltung bemerkte ich eine Besonderheit und war stolz, weil ich in der Pflichtliteratur auch ein Werk unseres Professors an der Uni Szeged, Herrn Vilmos Ágel erblickte.

Wie kamst du mit den Kindern aus?
Sie waren sehr nett und halfen mir viel, wenn ich etwas nicht wusste. Nicola liebte es zu erzählen, wenn sie aus der Schule nach Hause kam. Dreißig Minuten lang redete sie nur: wer machte was, wie, mit wem. Fabian ist eher stiller, aber er mag sich an jemanden anschmiegen.

Passierte auch etwas Negatives?
Einmal kam ich nicht um halb zwei nach Hause, weil ich aus der Universität nach Hause ging, und in der U-Bahn-Unterführung Bombenalarm war und deshalb die Verkehrsmittel nicht fuhren. Nicola kam zu Hause an und fand mich nirgendwo. Sie rief ihre Mutter an, dann geriet sie in Panik, sie lief aus dem Haus, aber der Schüssel blieb drinnen, so schloss sie sich aus. Dann war natürlich ich schuld, aber wir besprachen dann alles, was in einem solchen Fall zu tun sei.

Wie war das Abschiednehmen?
Sehr schwer, die ganze Familie weinte, ich auch, nur der Vater nicht. Wir halten die Verbindung auch bis heute, ich bekam von den Kindern viele Briefe. Es war eine gute Probe, aber ich würde nicht noch einmal als Babysitter zurückgehen. Das Leben ist auch in Ungarn hart genug.

Ich danke dir für das Gespräch, Lili.