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Zeitung << 1/2004 << Ein Forum über Ungarndeutsche nicht nur für Ungarndeutsche
Ein Forum über Ungarndeutsche nicht nur für Ungarndeutsche
Geschichte, Beruf und Tracht
Autorin: Gabriella Szabó
Am 29. April 2004 nahm ich an einem interessanten Forum der Deutschen Nationalitätengruppe von Szeged im Nationalitätenhaus in der Osztrovszky Straße teil. Auf dem Programm standen Referate über die Ungarndeutschen, über ihre Bräuche, Berufe und Organisationen. Die Referenten waren Schüler und Studenten. Der Organisator Konrad Gerescher meint: „Wenn sich viele ungarische Schüler damit beschäftigen, habe ich keine Sorge, dass wir unsere Tradition recht lange am Leben erhalten können.”
Ein neues Buch über Ungarndeutsche
Das Forum begann mit der Präsentation des Buches von Konrad Gerescher: „Batschkaer Ahnenspiegel”. Im Buch lassen sich die Lebensart, die Arbeitsweise und die Vermögensform der in der Batschka lebenden Menschen kennen lernen. Der Band enthält auch einen Anhang über 200 handwerkliche Ahnenberufe mit Arbeitsmerkmalen. Der Autor machte viele volkskundliche Aufnahmen, was er in Südungarn, in Zwischenstromland für wichtig hielt. Als Aufgabe hatte die Szegeder Grundschule „Tarján III” zunächst drei von den vielen Bildern, die sich im Buch befinden, bekommen, und sollte über die Bilder schreiben. Der Titel des ersten Bildes lautete „Schwere Arbeit”. Die Kinder haben zuerst Ungarisch, dann Deutsch über die Arbeit der „Kubikoschok” gesprochen, dann kamen die Bilder „Viel Feder, viel Geld” und „Prosit dem guten Wasser”. Zwei Schüler des Tömörkény-István-Gymnasiums sprachen über ein Bild, das ein Kind mit einem einfachen Spielzeug darstellt. Seine Puppen wurden aus Kukuruz gemacht, was damals ein „sparsames” Spiel war, deshalb zeigt das Bild Einfachheit und Bescheidenheit, sagten die zwei Referenten.
Bier, Batschka, Fernsehen
Noch interessanter war die Geschichte des Bieres und seiner Herstellung. Eine Studentin der Gyula Juhász Pädagogischen Hochschulfakultät der Universität Szeged erzählte uns von der Bierbrauerei. Sie besuchte im April eine Gasthausbrauerei, die das Bier nach der Lizenz des HBH herstellt. Das Reinheitsgebot sagt aus, dass zur Herstellung von Bier Gerste, Hopfen und reines Wasser verwendet werden muss. Das zufällig erfundene, heute schon sehr beliebte Getränk wurde nach den Sumerern und Ägyptern von den Mönchen in Klöstern weiterentwickelt. Durch Verwendung von Hopfen wurde das Bier haltbarer und erhielt seinen klaren Charakter. Die erste HBH-Brauerei wurde im Jahre 1985 in Deutschland gegründet, und außerhalb Ungarns findet man auch zum Beispiel in Spanien solche Brauereien.
„Palanka an der Donau – Dokumentation einer verlorenen Heimat im Batschkaer Land” war der Titel des nächsten Referats. Jasmina Kovacevic studiert Germanistik in Novi Sad. Von ihr erfuhren wir, dass Palanka den deutschen Bezeichnungen Bretterzaun und Planke entspricht. Geographisch liegt der Ort in der Südostbatschka, am linken Donauufer. Hier wurden Längshäuser gebaut, und fast jede Straße und jede Gasse hatte zwei Baumreihen. Es gab viele artesische Brunnen und das Wasser war reich an Fischen. Die ersten Betriebe waren Ziegeleien, außerdem baute man hier die Lederfabrik „Merkur” auf. Palankaer Persönlichkeiten waren Nikolaus Hepp und der Maler Franz Eisenhut. Es ist sehr interessant, dass heute die Palankaer in aller Welt leben, wie zum Beispiel in Philadelphia und in Buenos Aires.
Die nächste Referentin sprach über ihre Ausflugserlebnisse in Budapest und in ihrer Gegend. Am ersten Tag besuchten sie die Chefredaktion, die ein Fernsehprogramm für deutsche Minderheiten in Ungarn mit dem Titel „Unser Bildschirm” macht. Die erste Sendung hatte das Programm am 16. August 1978. Seitdem arbeitet die Redaktion unter der Mitwirkung von Ungarndeutschen. Die nächsten Stationen waren das Ungarndeutsche Landesmuseum und die Landesselbstverwaltung und das Haus der Ungarndeutschen. Der Höhepunkt des zweiten Tages war ein Theaterstück in Szekszárd. In Hajós schauten sie sich das Heimathaus und in Tata das Ungarndeutsche Landesmuseum an. In dieser Stadt versucht man die deutsche Sprache noch zu bewahren und den Deutschunterricht dementsprechend zu fördern. Die Nächte verbrachten sie in „Waschludt” (Városlõd), das auch ein deutsches Heimathaus hat. Mehr als 1000 km fuhren sie während des Ausfluges.
Ungarndeutsche Volkstracht im Banat
Der für mich interessanteste Vortrag handelte von der Tracht im Banat. Die Vortragende war auch dementsprechend gekleidet, damit sie alles zeigen konnte (vgl. das Foto). Aber zuerst erzählte sie die kurze Geschichte dieses Gebietes: Im Jahre 1716 entstanden deutsche Siedlungsgebiete in Südosteuropa. Nach dem Schwabenzug baute man die ersten deutschen Siedlungen wie Lippa, Csanád und Temes entlang der Maros auf. Das Banat hat in den Jahren viel erlebt: gegen Ende des 19. Jahrhunderts fand eine starke „Magyarisierung” statt, und nach dem ersten Weltkrieg wurde es in drei Teile geteilt. Ungarn bekam nur kleine Teile dieses Gebietes. Trotz der Umsiedlungsmaßnahmen blieb die Tracht im Banat durch die Pflege noch erhalten. Bei den Deutschen herrschten in der Bekleidung ruhigere Farben als bei den Ungarn und den Slawen vor. Die Donauschwaben verarbeiteten selbst angebaute Rohstoffe, seit dem 19. Jahrhundert arbeitete man mit gekauftem, industriell gefertigtem Material. Die Kindertracht (7-8. Lebensjahr) bestand bei den Mädchen aus Hemd, Kinderrock und Haube, bei den Buben war aber das Unter- und Oberteil in einem Stück genäht. Die ersten Hosen der Jungen waren halblang. Interessanterweise war die Braut zur Hochzeit schlicht und schwarz gekleidet, nur am Abend ging sie in Weiß. Der donauschwäbische Brautkranz war aus kunstvoll gestalteten Wachsperlen, Wachsblättern und Wachsblumen gefertigt, außerdem erhielt die Braut ein Sträußchen aus Rosmarinzweigen. Die Alltagskleidung unterschied sich in Stoff und Schmuck. Die Referentin, die dies vortrug, hatte eine „Kirwaldstracht”: ein Hemd aus weißem Leinen mit mittellangen Ärmeln, dessen Halsschnitt rechteckig war. Darüber hatte sie ein schwarzes Leibchen, das man aus Batist, Seide und Rips nähen konnte. Es war mit Blümchen, ihr Halstuch mit braunen Motiven verziert. Aber manchmal trug man zwei separate Stücke daraus. Unter dem Oberrock trugen die Mädchen gewöhnlich sieben Unterstoffe oder Unterröcke aus Brokatseide, Atlas oder Batist. Die Schürze war schwarz, und der Kopf mit einer Tuchhaube bedeckt. Die Männertracht war in jeder Situation einfach und bestand aus einem schwarzen Anzug. Der Hut wurde von den Mädchen geschmückt, Schuhe waren aus Leder.
Die letzte Vortragende sprach über wichtige Pflanzen im Banat: über die Kartoffel, die hauptsächlich als Viehfutter verwendet wird, über die Tomate (dort nennt man sie auch „Goldapfel”, „Paradiesapfel”, „Paradies” oder „Liebesapfel”) und über den Paprika.
Am Ende der Veranstaltung forderte Herr Gerescher alle Studenten auf, die sich mit solchen Themen, vielleicht auch in einer Diplomarbeit, intensiver beschäftigen möchten, zu einem der nächsten Foren der Szegediner ungarndeutschen Nationalitätengruppe zu kommen und einen Vortrag zu halten. Hoffentlich werden viele Studenten Lust bekommen, ein Thema in diesem Bereich auszuarbeiten und vor dem Publikum vorzutragen.
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