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Zeitung << 1/2004 << Bundespräsidentenwahl in Österreich


Bundespräsidentenwahl in Österreich
Autorin: Katalin Lackó

Österreichs Bevölkerung wählte am 25. April 2004 einen neuen Bundespräsidenten. Die Kandidaten waren die 46-jährige Dr. Benita Ferrero-Waldner (ÖVP) und der 65-jährige Dr. Heinz Fischer (SPÖ). Die Wahlbeteiligung war mit 71,6% für österreichische Verhältnisse recht gering, was aber ein gesamteuropäisches Phänomen ist, wie die meisten meinen. Es gibt sechs Millionen wahlberechtigte Bürger in Österreich.

Das Außerordentliche bei dieser Bundespräsidentenwahl war, dass jetzt zum ersten Mal eine Frau als Kandidatin mit realen Chancen auf das höchste Amt im Staat auf der Bühne erschien. Ferrero-Waldner legte eine sensationelle Aufholjagd hin. Die ÖVP schickte die Außenministerin in das Rennen um die Bundespräsidentschaft und das war allein Bundeskanzler Schüssels Wille. Auch Jörg Haider (ÖVP) kämpfte in Kärnten für Benita mit. So ist es auch kein Wunder, dass sie gerade in Kärnten ein beachtliches Ergebnis erreichte. Die größte Verantwortung trug aber der Kanzler, Schüssel, er war sich dessen bewusst, dass im Falle eines Sieges er noch deutlicher als bisher der „Chef” sein würde. Im Falle einer Niederlage hätte es geheißen: ihre Niederlage ist auch die seine. Aber sie wird auch weiterhin Außenministerin bleiben. Im Wahlkampf versuchten beide mit ihren Biografien und Erfahrungen die Wähler zu „beeinflussen”. Beide waren sich ihres Sieges sicher.
Benita Ferrero-Waldner wurde in Salzburg geboren. Ihr Vater war Dentist. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften arbeitete sie als Exportleiterin in einem Textilunternehmen. 1984 begann sie mit der diplomatischen Laufbahn, was ihr großer Traum war. Sie war in Madrid, Dakar, Paris und 1994, in New York war sie als erste Frau Protokollchefin der Vereinigten Nationen. In die österreichische Politik wechselte sie im Jahr 1995 als Staatssekretärin für auswärtige Angelegenheiten. Seit dem 4. Februar 2000 ist sie als österreichische Außenministerin tätig. Sie spricht Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch. Ihre Hobbys sind: Radfahren, Schwimmen, Lesen und Yoga.

Heinz Fischer wurde am 9. Oktober 1938 in Graz als Sohn einer sozialdemokratischen Familie geboren. Er schloss sein Jus-Studium 1961 in Wien ab. Er wurde von Bruno Kreisky, der Österreich von 1970 bis 1983 regierte, politisch gefördert. Seit 1979 ist er Vizepräsident der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ). Später, in den 80er Jahren, war er Minister für Wissenschaft und Forschung, von 1990 bis 2002 Nationalpräsident. Fischer steht für Integrität, Bodenständigkeit und vertritt die Idee der Neutralität. Er erwähnt Kontinuität vor Spontanietät. Sein Slogan lautet: „Politik braucht ein Gewissen”. Benita Ferrero-Waldner brüstete sich gerne mit ihren Erfahrungen in der Privatwirtschaft und damit, dass sie noch kaum einen Opernball ausfallen ließ, dessen Eröffnung aber zu den Pflichten eines Bundespräsidenten gehört. Fischer dagegen strich seine politischen Erfahrungen heraus, den offiziellen Ball der Republik Österreich besuchte er aber noch nie. Seine Gegnerin stand für eine halbierte Neutralität. Sie wollte eine Neutralität außerhalb der EU, Solidarität innerhalb Europas und niemals Kriegseinsätze für österreichische Soldaten. Ihre Stärke ist die Außenpolitik, deswegen stellte sie ihre mögliche Amtszeit so vor, dass sie 70 Prozent des Jahres im Ausland verbringen würde. Fischer konnte so eine Vorstellung kaum akzeptieren, denn er will für die Österreicherinnen und Österreicher arbeiten und immer für sie da sein, also 90 Prozent der Zeit im Inland verbringen. Laut Fischer geht es nicht primär um Auslandsreisen, sondern vor allem um das eigene Land. Fischer stellt an den wichtigsten Kreuzungspunkten der internationalen Macht die beliebtere und die bekanntere Figur dar, während Frau Ferrero-Waldner nur ein knappes Jahrzehnt als Staatssekretärin und als Ministerin im Außenamt ist. Das ergibt aber auch viele Kontaktmöglichkeiten. Ferrero-Waldner nannte als ihr Vorbild Dr. Rudolf Kirschläger, der erst Richter, dann Diplomat, dann Außenminister war und erst dann Bundespräsident wurde. Ein bemerkenswerter Weg, meinte sie.

In das Duell gingen sie sehr gut vorbereitet, persönliche Herabwürdigungen unterblieben. Außerdem verbindet Fischer mit Wolfgang Schüssel seit langem ein respektvolles, freundschaftliches Verhältnis. Der Kampf war trotzdem ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Am Ende sahen die Ergebnisse folgendermaßen aus: Heinz Fischer bekam 52,4%, Benita Ferrero-Waldner 47,6 Prozent der Stimmen. Viele gaben ihre Stimme für Fischer, weil er für die Förderung von innovativen Projekten und alternativer Kultur steht, weil die Wirtschaft Stabilität braucht und keinen „Reiseverein”, manche loben ihn für seine Ruhe, Integrität und Kompetenz. Er möchte erreichen, dass die Bevölkerung zufrieden sei, möchte eine Person sein, die Vertrauen einflößt, mit deren Arbeit man sich identifizieren kann. Ferrero-Waldner war ein bisschen enttäuscht, aber sie hält sich für eine harte Kämpferin. Sie wird Außenministerin bleiben. „Für mich als junge Exportlerin ist es immer darum gegangen, als Frau überhaupt in eine Männerdomäne einzudringen. Ich hatte eine Position im Mittelmanagement, die ganz wenige Frauen hatten… Auch wenn es heute nicht geklappt hat, so nehme ich einiges Positive aus dem Wahlkampf mit. Die vielen Kontakte mit den Österreicherinnen und Österreichern, ihre Ängste, Sorgen, Wünsche, Anliegen werde ich in meine weitere Arbeit mitnehmen…”, so Benita Ferrero-Waldner.