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Zeitung << 1/2004 << Zwei Jahre in Graz
Zwei Jahre in Graz
Studium an der Kunstuniversität in Graz
Autorin: Szilvia Gál
Diese Geschichte begann im Jahre 1997, als ich meine Reifeprüfung ablegte. Damals besuchte ich die Fachmittelschule für Musik in Békéscsaba. Ich wollte nach dem Abitur unbedingt Musik bzw. Querflöte studieren, die deutsche Sprache beherrschen und ein fremdes Land kennen lernen. Ich hatte aber mit 18 noch keine Ahnung, woher ich Informationen über die verschiedenen deutschen Kunsthochschulen, Kunstuniversitäten und Musikakademien bekommen konnte. Ein Bekannter von mir, der an der Musikakademie in Budapest arbeitete, konnte mir eine Liste der Hochschulen des deutschen Sprachgebiets verschaffen. Aus der Liste wählte ich die mir sympathischsten Adressen und fing an, den Rektoren der Hochschulen Briefe zu schreiben. Ich bat sie, mir Prospekte von ihren Hochschulen und Anmeldeformulare zu schicken. Aus zahlreichen Briefen wählte ich drei Kunsthochschulen aus, an denen berühmte Professoren unterrichteten und schickte ihnen meine Anmeldeformulare.
In Basel fand die Aufnahmeprüfung interessanterweise noch vor dem Abitur im April statt. An die Musik-Akademie der Stadt Basel wurde ich aufgenommen, aber das Schulgeld wäre so hoch gewesen, dass man es ohne Stipendium oder irgendeine Unterstützung nicht hätte bezahlen können. Es tat mir ein bisschen weh, aber vor mir standen noch zwei andere Herausforderungen. Nachdem mir die Aufnahmeprüfung in Wien im Juni nicht gelungen war, hatte ich nur die letzte Möglichkeit, in Graz noch im selben Jahr im September einen Versuch zu wagen. Ich hatte mich übrigens auch an ungarische Hochschulen angemeldet. Noch vor der Zulassungsprüfung suchte ich im September den Professor Wolfgang Strassnig auf und spielte ihm vor. Mein Spiel hat ihm wahrscheinlich gefallen, weil bei der Prüfung alles klappte.
Im Oktober immatrikulierte ich mich und begann mein Studium als sogenannte „ordentliche Studentin” an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz. Nach den ersten Schwierigkeiten – alle meine offiziellen Papiere wie meine Geburtsurkunde oder mein Reifezeugnis mussten übersetzt und beglaubigt werden – konnte ich mich leicht einfügen. Zum Glück bekam ich trotz des späten Zeitpunktes auch ein Zimmer im Studentenheim in der Wienerstraße. Im Oktober ist es nämlich in Graz auch sehr schwierig, freie Plätze in einem Studentenheim zu finden. Mein Leben war ab diesem Zeitpunkt anders als vorher, weil ich mit 19 ganz allein in Österreich war. Aber ich fühlte mich ganz frei und fand es sehr interessant. Die Uni war weit von meinem Wohnheim weg, aber ich fuhr immer Rad wie alle anderen in Graz. Gleich an den ersten Tagen, nachdem ich angekommen war, besichtigte ich die wichtigsten und schönsten Sehenswürdigkeiten der Stadt, die Innenstadt, den Schlossberg und dort den Uhrturm, das Landhaus, das Opernhaus, den Dom und das Mausoleum und die Mur, die die Stadt durchkreuzt. Im Wohnheim hatte ich sehr viele Freunde, fast alle Österreicher, und verbrachte mit ihnen sehr viel Zeit. Ich habe sehr gute und schöne Erinnerungen an sie. An der Uni hatte ich einige interessante Seminare und Vorlesungen und natürlich schriftliche und mündliche Prüfungen, z.B. Bläserkammermusik, Gehörbildung und Rhythmusschulung, Blasorchester, Instrumentenkunde, Klavierpraxis, Musikgeschichte, Atemtechnik und natürlich Flöte. Bis zum dritten Semester musste ich aber eine Sprachprüfung ablegen, weil man ohne diese das Studium nicht weitermachen durfte. Ich hatte davor einen Sprachkurs besucht, um mich darauf vorzubereiten. Ich hatte an der Uni einige gute Dozenten, Lehrer, an die ich bis heute mit Liebe denke.
Aber mein Leben als Studentin war in Graz nicht immer so leicht. Da ich trotz der vielen Bewerbungen kein Stipendium bekam, musste ich arbeiten. Am Anfang war es wirklich schwer als Studentin und Ausländerin eine Arbeit zu finden. Zuerst hatte ich die Möglichkeit, worüber ich mich wirklich freuen sollte, bei einigen Familien und einer Firma zu putzen und später bei zwei französischen Familien als Kindermädchen auf sechs Kinder aufzupassen. Ich übte und lernte sehr viel und begann sehr langsam, die Sprache der Menschen in meiner Umgebung zu verstehen: der eine sprach nämlich Steirisch, der andere Salzburgisch und noch ein anderer Deutsch mit chinesischem Akzent, und ich manchmal böse Ungarisch, wenn ich gar nichts verstand. Am Anfang fühlte ich mich eigentlich wohl und konnte mir mein Leben nirgendwo anders vorstellen. Trotz der vielen Arbeit und Dauerübung konnte ich aber in der Klasse meines Professors nicht weiter bleiben. Es handelt sich hier um zwei verschiedene Flöteschulen, Flötemethoden, die miteinander im Gegensatz stehen: die deutsche und die französische Schule. In Ungarn lernte ich die französische Methode, mit der ich Erfolge aufweisen konnte, aber mein Professor war ein alter Vertreter der konservativen, traditionellen Schule. Nach zweijährigem Studium wollte ich unbedingt nach Hause zu meiner Familie und zu meiner alten Flötelehrerin zurück.
Ich bereue es aber bis heute nicht, mein Auslandsstudium abgebrochen zu haben und jetzt Germanistik zu studieren, sonst wäre ich nicht hier an der Uni Szeged, wo ich mich viel besser fühle. Rückblickend scheinen diese zwei Grazer Jahre meines bisherigen Lebens wie ein Meilenstein: Ich wurde durch diese Jahre erwachsener, selbstständiger und voll von Erfahrungen. Ich bin sehr dankbar für diese Jahre.
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