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Zeitung << 1/2004 << Stirbt Else?


Stirbt Else?
Arthur Schnitzler – Ein Seminar bei Márta Horváth

Autorin: Tünde Mészáros

Schon in der Prüfungszeit des Wintersemesters schaute ich das kommentierte Vorlesungsverzeichnis durch und wählte einige Kurse aus, die nach ihrem Zeitpunkt und natürlich nach dem Dozenten meinen Vorstellungen entsprachen. Obwohl ich schon am ersten Tag der Kursbelegung morgens früh vor dem Computer saß, nahm ich überraschend zur Kenntnis, dass es in den meisten früher ausgewählten Kursen keine Plätze mehr gab. Dann sollte ich alles überdenken – wie immer. Plötzlich erblickte ich ein Seminar bei Márta Horváth mit dem sehr einfachen Titel „Arthur Schnitzler”. Der Zeitpunkt passte, ich hatte dafür noch einen leeren Platz in meinem Stundenplan. Bis dahin wusste ich nicht allzu viel über Schnitzler, aber ich las in der Kursbeschreibung: „Erzählerische und dramatische Texte”. Und das bedeutet viel Lesen. Aber ich nahm die Herausforderung an. Jetzt ist April und die Hälfte des Sommersemesters ist schon vorbei. Was lief bisher in diesem Seminar ab? In der ersten Stunde besprachen wir einige bibliographische Daten Schnitzlers, der in allen drei Gattungen schuf. Zu seiner Lyrik muss man erwähnen, dass er nur wenige und nicht so gute Gedichte schrieb. Seine dramatischen Werke kann man in drei Gruppen einteilen: Ein-Akter wie „Anatol” und „Reigen”, sozialpsychologische Dramen wie „Der einsame Weg” und Komödien wie „Professor Bernhardi”. Zu seinen erzählerischen Texten zählen „Leutnant Gustl” und „Fräulein Else” als Monolog-Novellen und „Der Weg ins Freie” oder „Casanovas Heimfahrt” als große Erzählungen. Bisher, bis April wurden die Novellen, „Professor Bernhardi” und „Der grüne Kakadu” besprochen.
Am besten gefiel mir „Fräulein Else”. Dieser Text ist ein innerer Monolog, der ein gutes Zeitbild der Jahrhundertwende darstellt. Um 1900 war es ganz normal, wenn ein junges Mädchen einen älteren Mann ohne Liebe heiratete. Die Gesellschaft trug in sich selbst die Notwendigkeit einer solchen Tat. Ein Mädchen sollte nur Klavier spielen und lesen können, weil es außer dem guten Heiraten keine andere Aufgabe hatte. In Else selbst gibt es einen inneren Konflikt wegen der Bitte ihrer Mutter. Sie bat Else, einen älteren Mann um Geld zu bitten. Und in dieser Zeit hatte eine Frau nur einen einzigen Wert, nämlich ihren Körper: Else sollte sich verkaufen, weil der Mann sie nackt sehen wollte. Auf vielen Seiten können wir ihren Konflikt lesen, wie sie diese Situation lösen könnte. Sie kommt schließlich zu einer Entscheidung: Sie tritt ins Zimmer und wirft ihren Mantel ab, unter dem sie nackt ist. Man kann sich die Frage stellen, warum das eine so merkwürdige Tat zwischen einer Frau und einem Mann ist. Weil diese Sache in einem Hotel passiert, in einem Salon, vor den Augen von vielen Leuten. Und was kommt danach? Else wird ohnmächtig. Oder stirbt sie? Es ist nicht sicher, ob sie letztendlich stirbt. Wer diese Novelle liest, kann selbst entscheiden.
Wir behandelten in diesem Seminar kulturhistorische Themen wie z.B. die Stellung der Frauen um die Jahrhundertwende und diskutierten gattungstheoretische Fragen wie z.B. die Merkmale eines inneren Monologs im Vergleich zu einem Drama. Obwohl man dazu sehr viel lesen soll, wie im Allgemeinen in literarischen Seminaren, lohnt es sich, weil man durch die Analyse der Texte in die Tiefe der Werke sehen kann.