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Zeitung << 1/2004 << Spieglein, Spieglein in der Hand


Spieglein, Spieglein in der Hand
Der Österreich Spiegel im Deutschunterricht

Autorin: Anna Fótos

Kennt ihr den Spiegel? Nein, ich meine nicht die dicke, rote Zeitschrift aus Deutschland. Es gibt einen anderen: Er stammt aus Österreich und wurde extra für den Deutschunterricht konzipiert.

Als ich die Novemberausgabe aus 2003 (Nr. 24/03) erhielt, beschäftigten wir uns in meiner Gruppe im Gymnasium mit der Europäischen Union. Ich habe gehofft, dass ich etwas zu diesem Thema finden würde, was nicht den üblichen Themenbereichen angehört. Die Gruppe hat kein Lehrbuch, ich bzw. sie selbst suchen die Artikel und Texte, die wir im Unterricht behandeln. Die Schüler, die ich unterrichte, interessieren sich sehr für die Europäische Union, sie denken, dass sie die wirklichen Gewinner des Beitritts Ungarns sein werden. Ihnen ist aber auch klar, zum Teil aus dem Fernsehen, zum Teil aus den Gesprächen mit ihren Eltern, dass bis dahin noch viel Zeit vergeht und dass sie auch etwas tun müssen, damit sie diese Chancen wahrnehmen können.
In der erwähnten Zeitung habe ich einen Artikel gefunden, der sich gerade mit dem Thema „die Jugend und die EU” beschäftigt. In dem Artikel ging es um österreichische Jugendliche, die sich ebenfalls für die Erweiterung interessieren. Diese Jugendlichen beklagten aber das Informationsdefizit, was praktische Themen anbelangt, z.B.: Wie bekommt man einen guten Job oder ein Stipendium in den anderen Ländern der Europäischen Union? Bislang haben wir uns in der Gruppe mit den Grundthemen der Europäischen Union beschäftigt, wie z.B. Geschichte der Organisation, ihre wichtigsten Organe, die Aufgaben dieser, die Mitgliedstaaten und die Beitrittskandidaten (seither die neuen Mitglieder der Europäischen Union) und der Euro. Wir hatten zwar letztes Jahr ein spezielles Thema zu ‚Toleranz, Rassismus und Minderheiten in der Europäischen Union’, aber dieses Jahr noch nicht. Ich dachte, dass dieser Artikel einen guten Ansatz für weitere Aufgaben und Diskussionen bietet.
Was ich besonders für Lehrer, aber auch für das autonome Lernen gut fand, war, dass man in der Zeitung auch Aufgaben zu den verschiedenen in ihr enthaltenen Texten finden kann. In diesem Fall aber konnte ich sie leider nicht benutzen, da ich diese Aufgabe zu leicht für meine Schüler fand. Aber es gab mir einen wichtigen Anstoß. Ich habe also zuerst einige Leseverstehensaufgaben zum Text angefertigt.
Am Anfang der Stunde haben wir in fünf Minuten zusammengefasst, welche Themenbereiche wir schon in Sachen Europäische Union behandelt haben. Die erste Aufgabe kam danach: Sie mussten die wichtigsten Schlüsselwörter im Text unterstreichen und den Inhalt des Textes in drei Sätzen wiedergeben. Mit dem Artikel zusammen erschien eine kleine Grafik, die den Titel „Jugendinteresse an EU-Themen” trug. Danach habe ich aus der Gruppe zwei Gruppen gemacht, weil sie auf verschiedenem Sprachniveau sind. Mit der einen Gruppe habe ich einen Fragebogen gebastelt, der die Fragen enthielt, die wahrscheinlich gestellt wurden, um diese Grafik zu erstellen. Sie haben dann die Fragen auch selber beantwortet. Die andere Gruppe, die letztes Jahr mit dem Buch Leselandschaft (Unterrichtswerk für die Mittelstufe, 2. Aufl. Verlag für Deutsch 1997) arbeitete, sollte inzwischen die Grafik schriftlich analysieren. Dazu konnten sie zuerst die Redemittel, die man zur Analyse solcher Daten braucht, mit Hilfe des Buches wiederholen. Da war die erste Stunde zu Ende. Ich hatte aber Glück (bzw. extra geplant), denn an diesem Tag hatte die Gruppe eine Doppelstunde in Deutsch. Nach der Pause hat dann die „Analyse-Gruppe” den Fragebogen ausgefüllt, während die „Fragebogen-Gruppe” die Analysen durchgesehen hat. In der Gruppe gibt es zwei Schüler, die sich für Mathematik interessieren, sie haben schnell ausgerechnet, wie viel Prozent der Gruppe sich für die angegebenen Themen interessiert.
Nachdem sie jetzt einen umfassenden Eindruck von dem Artikel bekommen hatten, konnten wir uns dem Thema richtig zuwenden. Sie haben gesagt, dass sie mit den Jugendlichen, die in diesem Artikel erwähnt wurden, einer Meinung sind, weil sie sich in gewisser Hinsicht auch zu wenig informiert fühlen. Obwohl sie Vieles im Zusammenhang mit der Erweiterung der Europäischen Union schon wissen, wissen sie nicht, wie man in der Praxis diese Informationen nutzt. Wir haben darüber gesprochen, wie sie wohl in der Europäischen Union ihre Chancen nutzen können und was sie wirklich leisten müssen, wenn sie z.B. einen guten Job in den westeuropäischen Ländern bekommen möchten. Als erstes haben sie die Fremdsprachenkenntnisse erwähnt. Fast alle haben eine Sprachprüfung in Deutsch (oder in Englisch) abgelegt, deshalb sahen sie keine großen Probleme in dieser Hinsicht. Sie haben aber gemeint, dass ein Teufelskreis auf dem Stellenmarkt zu beobachten sei, denn man bekommt keinen Job, wenn man keine Erfahrung hat und man kann keine Erfahrungen sammeln, solange man keinen Job hat. Einige haben sich freiwillig gemeldet, als ich daraufhin eine Aufgabe zur Internetrecherche stellte. Sie haben die Aufgabe bekommen, sich darüber zu informieren, welche Möglichkeiten ihnen in dieser Situation zur Verfügung stehen. Damit war die Doppelstunde zu Ende. Natürlich haben wir uns noch mit diesem Thema beschäftigt, aber das ist schon eine andere Geschichte.
Wie man sieht, ist ein toller Artikel immer ein guter Ausgangspunkt für weitere Aufgaben. Die Zeitung fand ich insgesamt anspruchsvoll, und habe später noch andere Texte für meine Gruppen ausgewählt. Was mir besonders gefiel, war, dass sie vielseitig ist, d.h. viele Themen anschneidet, wie z.B. den Kopftuch-Streit, die diesjährige Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi oder Damenfußball, Umwelt, Kultur und Kunst, um nur einige zu nennen. Sie ist voll von Anschauungsmaterial, ich habe die Grafik schon erwähnt, aber es gibt auch ganz viele Fotos und Zeichnungen. Unter den Texten befinden sich schwierigere und auch einfachere; in den Rubriken „Kinder” und „Jugend” findet man Texte, besonders auf diese Altersgruppen zugeschnitten.
Diese Zeitschrift richtet sich sowohl an Lerner der Fremdsprache Deutsch als auch an Lehrer und angehende Lehrer ganz besonders.