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Zeitung << 1/2004 << Ein interessanter Autor wieder in Szeged
„Wie ein Berserker treibt Weidinger den Leser vorwärts und ab und zu auch in das Labyrinth des Kaweischen Denkens“
Ein interessanter Autor wieder in Szeged
Autorin: Gabriella Szabó
Sehr merkwürdige Plakate kündigten die Schreibwerkstatt und die Lesung von Karl Weidiger am 5. Mai 2004 an. Es entstand ein interessantes Gespräch zwischen uns und dem Autor, und wir konnten uns bei der Lesung ein bisschen in den Gedankenfluss von Kawei, wie er sich selbst nennt, einleben.
Die Schreibwerkstatt
„Eine sportliche Autoren-Lektion von und mit Karl Weidinger. Eine Trainings-Einheit im kreativen Trockendock des Schreibens. Auch für literarische Nichtschwimmer geeignet.“ Diese Sätze konnte man auf dem Plakat lesen, die schon mein Interesse erweckten. Karl Weidinger war zum zweiten Mal in Szeged (zu seiner Lesung von 2002 vgl. GeMa 2/2002) und diesmal hielt er zuerst eine sogenannte Schreibwerkstatt.
Über Weidinger soll man wissen, dass er in Burgenland aufwuchs, Briefträger war, dann bei verschiedenen Zeitungen arbeitete und Texte für Werbeagenturen „kreierte“, bevor er sein erstes Buch „Missbrauch des aufrechten Ganges“ begann. Dies schrieb er in erster Person Singular. Aber im Mittelpunkt stand am 5. Mai 2004 sein im letzten Herbst erschienenes Buch „Die Verhaftung der Dunkelheit wegen Einbruchs“, das aber in zweiter Person Singular geschrieben ist. Das dritte Buch wird er in dritter Person schreiben.
Wir behandelten sehr viele Themen während der zwei Stunden: bekannte Werbungen, wie soll eine Autobiografie aussehen, was soll man wissen, wenn man zu schreiben anfängt, usw. Wie Kawei sagte: Das autobiographische Schreiben ist für ihn auch „ein therapeutisches Schreiben“. Vor allem beschreibt er seine Umwelt mit ihren Absurditäten und seine persönlichen Erlebnisse, aber mit einer ungewöhnlichen Methode. Die Interpunktion bekommt eine wichtige Rolle im Buch, und selbst die Orthographie muss sich Kaweis Phantasie beugen. „Vorherrschend ist in der ‚Verhaftung der Dunkelheit wegen Einbruchs’ das Spiel. Das Spiel als Programm, als Botschaft. Einerseits das Spiel mit dem erworbenen, erlesenen, erlebten Wissen. Anderseits das Spiel mit dem Leser.“, sagte Markus Kóth, der Karl Weidinger persönlich auch gut kennt. Kawei verwendet also viele Wortspiele, Wortverdrehungen, Alliterationen und Wörter im Doppelsinn. „Übung macht den Meister, wenn man also viel liest und schreibt, kann man besser schreiben“, erfuhren wir von ihm. Es ist ähnlich wie schwimmen oder Fahrrad fahren: die einzelnen Schritte sind sehr wichtig auch beim Schreiben. So lassen wir uns durch die Kaweische Weltsicht im „Plakatland“, in der österreichischen Werbebranche herumführen!
Die Lesung
„QUALITÄtS EIER, GEKOCHT UND GEFÄRBT VON GLÜCKLICHEN HÜHNERN. – Wann wird nach Kinder?Frauen?Nachtarbeit auch Hühnerarbeit Verboten? Das bringt deinen Denkapparat ins Schwitzen, und du gehst zur Reinigung der Ess- und Kauwerkzeuge über. Warum gibt es keine Zahncreme DAY und NIGHT? Eine für morgens: Anregend zum Aufstehen. Und eine beruhigende zum Putzen vor dem Zubettegehen? Also gehst du Zähne bürsten. Anregend! Wie meistens, bevor du dein Schneckenhäuschen in Richtung Schneckenpost oder grosse weite Welt verlässt. Zweiteres Ungemach steht dir im Sinn und ins Haus, ausserhaus. Gemach, gemach! Ein Weilchen willst du noch in deinen Gemächern vertrödelnd rummachen. *WENN* DER TUBENINHALT DIESE MARKIERUNG ERREICHT HAT, HABEN SIE SICH AN DEN BESONDEREN GESCHMACK GEWÖHNT UND MÖCHTEN IHN NICHT MEHR MISSEN, steht auf der stehend aufbewahrten Tube PARODONTAX mit einer auffälligen Markierung in der Mitte. Und: BEUGT ZAHNFLEISCHBLUTEN UND PARODONTOSE VOR. Wie? Legt man die Tube unters Kopfkissen? Steht kein ZahnfleischabSterbenwörtchen vom Putzen dabei…“
Dieses Zitat stammt aus dem neuen Buch von Karl Weidinger. Die Schreibweise begegnet uns hier als Auseinandersetzung mit allen Aspekten der erlebbaren und erfühlbaren Welt. Über Schlachten am Buffet wird genauso reflektiert wie über den sich daraus ergebenden Kampf um den Beischlaf. Schon an der äußeren Erscheinung des Buches kann man sehen, dass es sich nicht um ein alltägliches Buch handelt. „Die Verhaftung der Dunkelheit wegen Einbruchs – ein Titel der seinen Weg machen wird“. Diesen Satz können wir auf dem Umschlag des Buches lesen, und er stammt von Harry Rowohlt of Hamburg. Oder: „Eine Spur der Verwüstung durch die Werbebranche gezogen wie Attila der Hunnenkönig“ (von Dr G. Walsch-Jelinek). Wir können diesen Roman auch als postmodern oder als Schelmenroman bezeichnen. Aber was sicher kennzeichnend ist für das Buch, ist der spielerische, der spielhafte Umgang mit der Sprache, mit Literatur, mit der Welt im Allgemeinen. Kurze aber prägnante Sätze, die auf den ersten Blick keine Schwierigkeiten bereiten, mischen Sprachen und so wird der Roman nie langweilig. „Die Geschwindigkeit und Intensität des Gedankenflusses erstaunt und beeindruckt. So und nur so kann es in einem Schriftstellergehirn zugehen. Kein Nachdenken, ein Assoziieren, ein nie versiegender Strom der Gedanken, der Eindrücke bahnt sich seinen Weg auf das Papier.“, sagte Markus Kóth vor der Lesung. Und wirklich, wir erlebten diese Gedanken, und wir alle hielten die Aussage von Manfred Müller für richtig: „Egal, wo Sie es aufschlagen, Sie werden sich wundern. Es ist schwierig, über dieses Buch zu sprechen, hören Sie einfach zu und genießen Sie es.“
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