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Zeitung << 2/2003 << Erich Hackl: Der Abschied von Sidonie


Erich Hackl: Der Abschied von Sidonie
Die Geschichte eines Zigeunermädchens, das wegen seiner Abstammung getötet wird

Autorin: Mariann Palotai

Das Buch handelt von einem Zigeunermädchen, Sidonie Adlersburg, das auf der Straße geboren und von seiner leiblichen Mutter vor dem Krankenhaus ausgesetzt wird. Sie leidet an der Englischen Krankheit, einer mangelhaften Verkalkung des Knochensystems, deshalb nimmt ihre Mutter sie nicht zu sich. Das Jugendamt kümmert sich um sie. Die ersten Pflegeeltern waren Amalia Dorflinger und ihr Mann, aber sie akzeptierten das Mädchen auf Grund ihrer Hautfarbe nicht, und es musste zurück zum Jugendamt. Danach lernt Sidonie ihre echten Pflegeeltern, Josefa und Hans kennen. Da Josefa nach der Geburt ihres Sohnes Manfred kein Kind mehr bekommen kann, nehmen sie Sidonie zu sich. Im Buch spielt die Geschichte eine wichtige Rolle. 1933 wurde der republikanische Schutzbund verboten. Es gab kein Parlament, es herrschte Diktatur. Schon damals jagten die Polizisten die "Schutzbündler", zu derer Gruppe auch Hans zählt. Er wird zu einer achtzehnmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Manfred bekommt schlechte Note in der Schule, weil er ein Heide ist. Josefa und Hans müssen sich wider ihres Willens einer kirchlichen Trauung unterziehen, die im Gefängnis stattfindet. Nach der Entlassung von Hans nehmen sie Hilde zu sich. Sie ist auch ein Waisenkind wie Sidonie, sie werden später sehr gute Freundinnen. Sidonie wird auf Grund ihrer Hautfarbe manchmal von den anderen Kindern verspottet. Während des Spiels berühren beispielsweise die Kinder den Ball nicht, weil ihn eine Zigeunerin schon berührt hat. Sie haben Angst vor den Zigeunern. Das Jugendamt besucht die Familie regelmäßig, um das Leben von Sidonie zu überprüfen. Der Krieg bricht aus. In der damaligen Zeit ist die Beziehung zu einem "Nichtdeutschen" verboten und wird mit dem Konzentrationslager bestraft. Josefa und Hans sind verzweifelt, Zigeuner können Sidonie mitnehmen. Sidonie fährt zur Firmung nach Linz mit der Leiterin des Jugendamtes, Cecilia Grimm. Eines Tages kommt ein Brief, dass Sidonie zu ihrer leiblichen Mutter zurückgebracht werden soll. Der Abschied fällt Josefa, Hans, Manfred und Hilde sehr schwer. Bis zu den letzten Minuten glaubt Sidonie, dass Josefa auch mitfährt. Sie wird in ein Zigeunerlager gebracht. Nach dem Krieg wird Hans in Steyr zum Bürgermeister ernannt. Er erkundigt sich, was mit den Zigeunern passiert ist und erhält die Auskunft, dass alle in Konzentrationslager gebracht wurden. Sidonie war auch unter ihnen und starb dort.
Roma und Sinti
Über die frühere Geschichte der Sinti und Roma weiß man sehr wenig. Es ist nicht geklärt, ob sie als Unberührbare am Rande der indischen Gesellschaft lebten, ob sie einer oder mehreren hinduistischen Kasten angehörten oder ob sie sich aus Angehörigen mehrerer sozialer Schichten und Volksgruppen zusammensetzten. Sicher ist, dass sie ihre nordindische Heimat in mehreren Auswanderungswellen seit dem fünften Jahrhundert verließen. Roma – Singular Rom, weiblich Romni – ist die Selbstbezeichnung der Angehörigen einer weltweit verbreiteten ethnischen Minderheit indischer Herkunft. Ihre Dialekte werden unter der Bezeichnung Romani zusammengefasst. Die Weltpopulation der Sinti, Roma und anderer zugehöriger Gruppen beträgt heute etwa zwölf Millionen Menschen. In fast allen Ländern gibt es zumindest kleine Gruppen von Roma und Sinti. Die größten Gemeinschaften befinden sich in den osteuropäischen Ländern wie Rumänien, Bulgarien, dem ehemaligen Jugoslawien und Mazedonien sowie in der Slowakei und in Ungarn. Ein wichtiges Merkmal ist die gemeinsame Romani-Sprache, die aus einer Vielzahl von Dialekten besteht, die alle zum indischen Zweig der indoeuropäischen Sprachen gehören. Roma und Sinti zerfallen in mehreren Gruppen, die mitunter auch, ausgehend von ihrem Siedlungsgebiet oder ihrer Herkunft, als Nationen bezeichnet werden. Zu den europäischen Nationen gehören die Gitanos in Spanien, die Manouche in Frankreich und die Sinti in Deutschland.

Das Schicksal der Roma und Sinti zur Zeit des Nationalsozialismus
Am 5.6.1938 gab es den ersten Einweisungsbefehl für burgenländische Roma in die Konzentrationslager von Dachau und Buchenwald. Ab 17.10.1939 durfte kein "Zigeuner" seinen Aufenthaltsort mehr verlassen. Zwischen 1938 und 1943 wurden Tausende von Roma und Sinti in verschiedene Konzentrationslager gebracht und dort durch Zwangsarbeit, Vergasung, medizinische Versuche und andere Formen der Vernichtung ermordet. Allein in Auschwitz wurden 20.000 Sinti und Roma umgebracht. Von den rund 7000 burgenländischen Roma haben nur 600 bis 700 den Holocaust überlebt. Aber auch nach dem Krieg ging der Kampf der Roma ums Überleben und um ihre Rechte weiter. Bereits 1948 gab es einen erneuten Erlass des Innenministeriums in Wien gegen das "Zigeunerunwesen" und erst 1961 wurde ihnen eine Entschädigung zuerkannt. An der Stelle des ehemaligen Lagers "Lackenbach" im Burgenland findet man heute eine unauffällige Gedenkstätte zur Erinnerung an die Ermordung der Roma und Sinti durch den Nationalsozializmus. In jüngster Zeit starben wieder 4 Roma bei einem rechtsradikal motivierten Bombenattentat in Oberwart/Felsõõr 1995.