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Zeitung << 2/2003 << Interview mit der Bosch-Lektorin Jasmin Groß


Lektorin mit ausländischen Erfahrungen
Interview mit der Bosch-Lektorin Jasmin Groß

Autorinnen: Mariann Palotai, Györgyi Turóczi

Jasmin Groß, Bosch-Lektorin aus Deutschland, unterrichtet Phonetik und Sprachübung an unserer Uni seit 2002. Sie hat die Möglichkeiten, die sich während des Studiums boten, ins Ausland zu fahren, ausgenutzt: Sie hat ihre Praktika in verschiedenen Ländern gemacht. Sie war sowohl als Studentin wie auch als Lehrerin mehrmals in Frankreich, Polen und Ungarn. Sie erzählt uns auch, was man machen soll, wenn man eine Fremdsprache richtig sprechen möchte.

Jasmin, was sind deine Aufgaben als Bosch-Lektorin an unserer Uni?
Die Robert-Bosch-Stiftung schickt junge AkademikerInnen für ein oder zwei Jahre als Sprach- oder FachlektorInnen ins ostmitteleuropäische Ausland. Ich bin als Sprachlektorin hierher gekommen. Meine Aufgabe ist neben meiner Funktion als Sprachlehrerin vor allem, den Studierenden die deutsche Kultur, Mentalität, aber auch zum Beispiel das deutsche Unisystem mit allem, was dazu gehört, nahe zu bringen. Dazu gehört etwa, dass ich meine Seminare meist so aufbaue, wie ich es von deutschen Unis gewöhnt bin: Die Studierenden sind selbst für die Seminarinhalte mitverantwortlich, z.B. durch eigene Referate oder Seminargestaltungen. Dabei soll es immer interaktiv zugehen. Einem Referat nur zuzuhören, ist oft extrem langweilig. Wenn man aber versucht sein Publikum miteinzubeziehen, haben alle Beteiligten viel mehr davon. Daneben organisiere ich gemeinsam mit anderen Bosch-LektorInnen immer wieder studentische Projekte. Bisher haben wir eine trinationale Studierendenkonferenz in Bratislava zum Thema "Was geht uns Europa an?" und einen Workshop für ungarische Studierende in Piliscsaba mit dem Titel "Zeig dein Gesicht - Zivilcourage im Alltag" auf die Beine gestellt. Beide Veranstaltungen waren ein großer Erfolg.

Zum ersten Mal bist du 1995 nach Ungarn gekommen. Warum hast du dich entschieden so jung von zu Hause wegzugehen?
Da habe ich gerade zwei Semester in Freiburg studiert. Ich habe Anglistik und Romanistik (Französisch) angefangen zu studieren. Ich habe aber ganz am Anfang einfach nicht kapiert, wie ich an der Uni studieren soll. Ich war total planlos und ziellos. Da hat es mir überhaupt nicht gefallen. Ich fand die Dozenten nicht besonders toll und die Massenuni hat mir auch zu schaffen gemacht. Ich wusste nicht, wer ich selber in dieser großen Uni bin. Ich wusste, ich muss raus hier, weg hier. Dann dachte ich, okay, Flucht, irgendwas anderes machen und dann: Wo gibt es ein Stipendium? Wo kann man hin gehen? Dann bin ich nach Ungarn gekommen für ein halbes Jahr.

Warum hast du gerade dieses Land als Gastland gewählt?
Ich hatte schon vorher Kontakte zu Ungarn, private Kontakte: Freunde, ungarische Familien, und deshalb war ich schon vorher sehr oft in Ungarn gewesen. Auch sehr oft in Szeged und das war der Grund, warum ich dachte, ich versuche es jetzt einmal mit Ungarisch.

Du hast ein Praktikum auch im Goethe-Institut Budapest gemacht. Bist du danach hier geblieben oder später zurückgekommen?
Das Praktikum war 2001 im Sommer, in den Semesterferien. Mit einem Praktikum qualifiziert man sich sozusagen für den Beruf weiter. Dieses Praktikum habe ich kurz vor der Magisterarbeit absolviert, aber die deutschen Studenten fangen mit Praktika meist nach dem Grundstudium an. Man geht entweder in einen Verlag oder in eine kulturelle Institution, das muss man sich selbst organisieren. Und ich dachte eben, gut, Ungarisch, das werde ich nur in Ungarn lernen. Ich gehe also noch mal nach Budapest. Ich war da zwei Monate lang und habe mitgearbeitet. Ich habe danach natürlich mein Studium fertiggemacht.

Du hast auch an vielen Universitäten studiert und an Schulen unterrichtet. Wie gefällt dir unsere Universität?
Gut. Man merkt natürlich, dass sich alles in einem Transformationsprozess befindet. Dass die Dinge oft ein bisschen unklar sind. Was sind die Prüfungsgegenstände, wer prüft, wann muss man was machen, alles ändert sich irgendwie schnell. Am Anfang war ich ein bisschen schockiert. Im Bezug auf die Studenten habe ich mir eigenständigere und kritischere Studenten vorgestellt. Ich habe hier oft den Eindruck, dass an der Uni eher Schülermentalität herrscht. Die Studenten schreiben auf, was der Dozent sagt, und weiter kritisiert man nichts, man fragt oft auch nicht nach und denkt, es ist schon in Ordnung, was er oder sie da vorne redet. Das war am Anfang schwer für mich. Aber es hat sich gelegt, ich habe meinen Studenten auch gesagt, was ich von ihnen will. Und es ist viel besser geworden. Das ist das erste Mal, dass ich an einer Universität unterrichte. Ich habe auch in Frankreich unterrichtet, da war es an einem College und an einem Lycée, das sind sozusagen die ungarischen „középiskola“ und „gimnázium“. In Frankreich habe ich ein Jahr unterrichtet, in Deutschland meine ganzen Studienjahre über in einer privaten Sprachschule.

Du hast viel Zeit im Ausland verbracht. Was hast du da gemacht?
Mein erster langer Auslandsaufenthalt war nach dem Abitur. Das erste Mal von zu Hause weg. Da bin ich nach Israel gefahren. Und zwar habe ich da in einem Kibbuz gearbeitet. Das ist eine Art Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, wo verschiedene Familien, Menschen zusammen leben, arbeiten, aber natürlich hat jede Familie ein eigenes Haus. Man arbeitet so zusagen für die Gemeinschaft. Es ist im Prinzip Sozialismus im Kleinen. Keiner hat viel Privateigentum. Alle haben ungefähr dasselbe, und mich hat es interessiert, ob ich arbeiten kann, wenn ich nicht dafür bezahlt werde. Man kann als volunteer, als Freiwilliger, in einen Kibbuz gehen. Das sind meistens Leute zwischen 19 und 25, und natürlich macht man viel Party usw., aber man muss eben auch jeden Tag Bananen und Mangos ernten, im Kinderhaus arbeiten oder in der Großküche für alle kochen. Das habe ich ein halbes Jahr gemacht. Ich habe Englisch gelernt, Menschen kennen gelernt. Das war nach der Schule ein tolles Erlebnis für mich.
Ich habe Westslawistik (Polonistik) studiert. Es gab ein DAAD-Stipendium nach Warschau für ein halbes Jahr. Zwei Sprachkurse waren inbegriffen, und dann habe ich ein Semester dort an der Uni studiert. Ich wollte natürlich Polnisch lernen. An der Freiburger Uni waren die Sprachkurse nicht so gut, also musste ich schon in das Land selbst fahren, um wirklich sprechen zu lernen. Ich habe auch Osteuropäsche Geschichte studiert. Ich musste über viele historische Themen Hausarbeiten schreiben, und ich wollte natürlich auch die polnische Literatur dazu lesen und auswerten können. Dazu musste ich richtig Polnisch können. Ich habe also den Aufenthalt in Warschau genutzt, um Hausarbeiten zu schreiben, und um Materialien zu sammeln für meine Magisterarbeit, die ein polnisch-französisches Thema zum Gegenstand hatte.
In Frankreich war ich mit 19 neun Monate lang als Au-pair-Mädchen. Ich habe auf fünf Kinder aufgepasst. Die Zwillinge waren zwei Monate alt, als ich kam. Die anderen drei waren in der Schule. Der Aufenthalt war super, um Französisch zu lernen. Romanistik war später auch mein Hauptfach an der Uni. Während des Studiums war ich noch einmal ein Jahr in Frankreich, und zwar als Lehrerin an verschiedenen Schulen im Burgund.

Hast du vor auch an anderen Universitäten zu unterrichten?
Das bleibt wohl ein Traum. Ich glaube nicht, dass es gerade bei der derzeitigen Arbeitslage in Deutschland möglich ist. Nächstes Jahr möchte ich wieder zurückgehen. Der Arbeitsmarkt ist sehr schlecht gerade in Deutschland, und Leute, die sich mit DaF, mit Deutsch als Fremdsprache, auskennen, gibt es wie Sand am Meer. Vielleicht habe ich Glück, irgendwo im DaF-Bereich eine feste Stelle zu bekommen, aber ich rechne nicht zu sehr damit.

Du bist so jung, und hast sehr viel erreicht. Fühlst du dich erfolgreich?
Erstens bin ich nicht mehr jung, und zweitens finde ich nicht, dass ich viel erreicht habe. Ich habe das gemacht, was man im Studium einfach mitnehmen kann, eben die Angebote, die es an der Uni gab. Ich habe einfach mich umgeschaut. Ich denke, dass es für deutsche Studenten auch wirklich einfacher ist. Es gibt doch mehrere Möglichkeiten. Ich kann zum Beispiel im Ausland Deutsch unterrichten, aber welcher Ungar kann im Ausland Ungarisch unterrichten? Deutsche Studenten haben mit solchen Möglichkeiten doch ein einfacheres Leben. Ich kann trotzdem immer allen sagen, Möglichkeiten ins Ausland zu fahren zu nutzen. Ich denke, das bietet sich einfach während des Studiums an, später hat man dafür keine Zeit mehr oder hat familiäre Verpflichtungen, und wenn man das nicht macht, dann bereut man das später ganz bestimmt.

Danke für das Interview. Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg in der Zukunft.