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Zeitung << 2/2003 << Interview mit den Gastdozenten Dr. Arno Rußegger und Dr. Walter Fanta
„Wissenschaft hat viel mit der Fähigkeit zur Selbstkritik zu tun“
Interview mit den Gastdozenten Dr. Arno Rußegger und Dr. Walter Fanta
Autorin: Beatrix Tóth
Dr. Walter Fanta und Dr. Arno Rußegger haben als Gastdozenten im Wintersemester 2003 ein Blockseminar „Österreich-Imago“ für die Germanistikstudenten gehalten. Beide sind Editionswissenschaftler und unterrichten an der Universität Klagenfurt. Sie verbrachten zwar nur eine Woche bei uns, aber sie haben viele Kenntnisse aus ihrer Welt mitgebracht und mit uns offenherzig geteilt: Sprache, Kulturwissenschaft, Gewohnheiten, Freundlichkeit, und auch Selbstkritik.
Herr Dr. Rußegger, ist es Ihre erste Erfahrung in Ungarn als Gastprofessor?
Rußegger: In Ungarn bin ich zum ersten Mal, aber ich habe schon an anderen Universitäten unterrichtet, z.B in Italien. Ich bin wirklich sehr überrascht, wie hier die Universität organisiert ist, wie viele Veränderungen es gibt. Es wird überall gebaut und nicht nur intellektuell gearbeitet, sondern auch mit Händen. Ich hoffe, dass es auch so bleibt!
Warum haben Sie Ungarn als Gastland gewählt?
Rußegger: Es gibt von Klagenfurt aus seit langem schon Kooperationen in Ungarn, die sich jetzt intensiviert haben. Mein Kollege, der dieses Land gut kennt, hat mich vermittelt.
Wie gefällt Ihnen unsere Universität?
Rußegger: Es gefällt mir sehr gut. Szeged ist insgesamt eine schöne Stadt, die mich in vielen an meine Heimatstadt Klagenfurt erinnert. Es ist eben größer und man merkt, dass es hier mehr Studenten gibt. Ich habe einen sehr guten Eindruck.
Herr Dr. Fanta, Sie haben schon an vielen Universitäten unterrichtet. Wie gefällt Ihnen unsere Uni?
Fanta: Ich sehe sehr viele Gemeinsamkeiten, weil ich vor allem in Ungarn bzw. auch in Siebenbürgen tätig war. Ich glaube, dass es so Einiges gibt, das für die Region typisch ist, und das kann man auch in Szeged an der Universität beobachten. Dazu zählt für mich das ungarische Universitätssystem, das, glaube ich, in Umbruch ist, wo Reformen stattfinden, die sehr spannend sind für Beobachter aus österreichischen Perspektiven. Was sicherlich speziell in Szeged ist, dass diese Stadt attraktiver wirkt als die anderen Städte, in denen ich gearbeitet habe: Miskolc oder Debrecen. Ich glaube auch, dass hier an der Universität das Niveau besser ist. Das geht aus der Studentenzahl hervor. In Szeged befinden sich mehr Studenten, die sich fürs Germanistikstudium bewerben als an den anderen Universitäten. Und wenn man sich die Forschungsleistungen der Kollegen hier anschaut, stellt man fest, dass hier Kontexte und Theorien entwickelt wurden.
Herr Dr. Fanta, Sie leben in Wien und Tokaj, warum ausgerechnet Tokaj?
Fanta: Das ist so zustande gekommen. Ich kam 1993 als österreichischer Lektor nach Debrecen und die erste Frau, die ich kennen gelernt habe, habe ich dann auch gleich geheiratet. Sie war Ungarischlehrerin damals, und ich als Auslandslektor wollte die Sprache kennen lernen. Meine Frau kommt eben aus Tokaj, und wir haben dann dort ein Haus gekauft. Seitdem ich wieder in Österreich lebe, ist mein Privataufenthalt in Ungarn etwas ganz Besonderes. Nach vielen Jahren in Ungarn, wo ich mich sehr wohl gefühlt habe, war es eigentlich so, als würde ich in meine zweite Heimat zurückkommen. Wenn ich nach Ungarn komme, habe ich die Gelegenheit dann eben Ungarisch zu sprechen. Dann kommt noch etwas dazu: Ein Mann in meinem Alter mit etlichen Kindern, die schon langsam erwachsen werden, tendiert dazu zu überlegen, wo er eigentlich leben möchte, wo er eigentlich zu Hause ist. Und ich fühle mich in Tokaj doch zu Hause.
Rußegger: Und ich muss mir das alles ansehen. Wir haben so viele Jahre zusammen gearbeitet, dass er diesen ungarischen Teil seiner Existenz nicht ganz alleine, ohne mich absolvieren kann. Daher war es höchste Zeit hier auch einmal nach ihm zu sehen. Ich sehe, dass er in Ungarn gut aufgehoben ist und ich kann ihn eigentlich nur unterstützen und verstehen, warum er vor vielen Jahren diesen Schritt unternommen hat. Ich habe wirklich einen sehr guten Eindruck gewonnen, dass hier auch eine fachliche Qualität vorhanden ist. Ich hoffe, dass in der Zukunft hier weitere Kooperationen möglich werden.
Worum handelte es sich im Seminar Österreich-Imago?
Fanta: Wir beide beschäftigen uns mit Österreich-Bildern. Für mich speziell geht es hier auch darum über die Literatur, und in diesem Fall auch über den Film und über das Theater Vorstellungen, Klischees, Images von Österreich und Ausland zu vermitteln, und auch einen Vergleich anzusehen. Ich bin auch an Ungarn und dem ungarischen nationalen Identitätendiskurs interessiert, und den konfrontiere ich dann mit Österreich. Diese Seminare sicheren den Zweck, kulturwissenschaftliche Methodologie und Kenntnisse für die Teilnehmer zu vermitteln.
Rußegger: Jede Vermittlung bedeutet überhaupt eine Fragestellung, wenn man sofort merkt, dass diese Klischees so nicht stimmen. Ich lerne selber auch immer aus solchen Seminaren. Indem man solche Kollektiven übermittelt in einer Gesellschaft, wie sie in der österreichischen vielleicht herrschen, oder in einer bestimmen Zeit geherrscht haben, kommt man immer darauf, dass es hier um Prozesse geht, dass da keine fixen Gründe vorgegeben sind, sondern in gegenseitigem Austausch. Und die Welt wird immer globaler, globalisierter. Hier findet alles in einem permanenten Wechsel statt. Das macht dieses Gebiet für die Forschung auch interessant und unterhaltsam. Durch die Beschäftigung mit dem Theater oder mit dem Film bieten wir für die Studierenden vielleicht etwas anderes als eben nur literarische Texte, und vermitteln somit einen anderen Ausdruck unserer Kultur.
Fanta: Ein Professor der Universität Veszprém hat in einer Fachzeitschrift die Meinung formuliert, dass die Österreicher und die Deutschen, wenn sie in Ungarn unterrichten, über ihr Land ein zu negatives Bild liefern. Ich bin nicht dieser Meinung. Ich glaube, dass das ein ganz idealistischer und ein zu propagandistischer Zugang ist. Ich kann mir schon vorstellen, dass die ungarischen Germanisten ein positives Verhalten zu Österreich oder Deutschland haben. Zumindest kann man es beobachten. Wir sehen auch die Aufgabe darin, auch uns manchmal zu distanzieren, deswegen gehen wir ins Ausland. Wir vermitteln eben ein Bild, das kritisch ist und glauben, dass unser Publikum, die Leute in Ungarn vielleicht dadurch auch eher in der Lage sind, auch selber über ihr Land ein kritisches Bild zu haben.
Rußegger: Wissenschaft hat für mich grundsätzlich viel mit der Fähigkeit zur Selbstkritik zu tun. Man kann nie einen scharfen Blick suchen, wenn man sich selber zu idealisiert beobachtet. Ich halte es eigentlich für eine Grundvoraussetzung, dass man Selbstkritik ausübt. Nur dann kann man auch anderen gegenüber kritisch sein.
Wie sehen Ihre Pläne aus? Haben Sie vor wieder zurückzukommen und Seminare zu halten?
Rußegger: Wir haben mit verschiedenen Leuten gesprochen und gehen eigentlich davon aus, dass es auch mit uns Programme in Kooperation geben wird. Ich denke nicht, dass es unser letzter Besuch war.
Fanta: Es gibt ein spezielles Gebiet, das auf uns zukommt. Im Rahmen des Faches Deutsch wird es in Szeged ein Modul Editionswissenschaft geben. Wir sind beide Editionswissenschaftler und haben jetzt dem Institut angeboten in den kommenden Jahren die Beschäftigung mit einem bestimmten Autor oder einer bestimmten Epoche aus der österreichischen Literaturgeschichte mit editionswissenschaftlichen Fragestellungen zu verknüpfen.
Dieses Interview war mir eine besondere Freude und ich danke Ihnen!
Wir danken auch für das Gespräch.
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