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Zeitung << 2/2003 << Sieben Jahre in Tibet


Sieben Jahre in Tibet
Auf den Spuren von Heinrich Harrer

Autorin: Bernadett Paor Smolc

Tibet ist das isolierteste Land der Welt, das seit 1965 ein autonomes Gebiet von China ist. Tibet liegt nördlich des Himalaja. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung beschäftigt sich neben dem Ackerbau mit Jak-, Schaf- und Rindzucht. Tibet war früher ein buddhistischer theokratischer Staat. Es wurde aus Lhasa, der Hauptstadt der Mönche geführt, an derer Spitze der Dalai Lama stand. China wollte in Tibet immer wieder die Macht übernehmen. Heinrich Harrer, der österreichische Geographie- und Turnlehrer, Forscher und Bergsteiger war auch von Land und Leuten fasziniert. Aber wie er den weiten Weg nach Tibet zurückgelegt hat, war nicht einfach.

Im Jahre 1939 wurde er Mitglied einer Himalaja Expedition, die eine neue Aufstiegsroute erkunden sollte. Die Route haben sie gefunden. Nach der Expedition wollten sie von Indien nach Europa zurückkehren, aber dann ist der zweite Weltkrieg ausgebrochen und sie wurden als Deutsche (deutsche Expedition, da ja Österreich bereits seit März 1938 ein Teil Nazideutschlands war) verhaftet und in ein großes Internierungslager gebracht. Er und sein Kamerad Peter Aufschnaiter brachen aus dem Lager aus und wollten nach Tibet gelangen. Tibet war ein neutraler Staat und ihr Ziel war, dort gut aufgenommen zu werden und wieder ihre Freiheit zu bekommen. Aber der Weg führt über die Grenzpässe des Himalaja. Heinrich Harrer konnte schon wenig Tibetisch, so konnte er sich einigermaßen mit den Einheimischen verständigen. Aber die Tibeter wehrten sich gegen Fremden. Die Tibeter waren stolz auf das System, wie man sich die Fremden vom Leibe hielt. Sie haben einen schwierigen Weg vor sich gehabt, bis sie Lhasa „die verbotene Stadt” erreicht haben. Sie haben sich durch Schneestürme gekämpft, sind Nomadenfamilien und Räubern, den Khampas begegnet. Sie sind fast erfroren und verhungert. Nicht einmal der Blick auf den Himalaja, der sich mit Nichts vergleichen lässt, hat ihre Leiden gemildert. Sie haben ein Abenteuer nach dem anderen erlebt, bis sie immer tiefer ins Land eingedrungen sind.
Sie mussten lernen, mehr Zeit und Geduld zu haben, um ans Ziel zu kommen. Sie haben eine andere Mentalität kennen gelernt. Harrer hat die Tibeter um ihre einfache Gläubigkeit immer sehr beneidet. Er fand in Asien den Weg zur Meditation, ist aber nie Buddhist geworden. Sie waren schon seit 1,5 Jahren vom Lager weg und sie sind immer noch illegal durchs Land gezogen. Je näher sie der Hauptstadt kamen, desto weniger Schwierigkeiten hatten sie. Harrer hat Tagebücher mit Beobachtungen über Sitten und Bräuche der Tibeter geschrieben. Für sie beide waren die Berge die größten Anziehungspunkte. Sie haben Aufzeichnungen gemacht, hielten die Formen der Berge in wenigen Stichen fest. Sie waren unauffällig, sahen wie zwei arme Wanderer aus. Ihre Sprachkenntnisse haben auch viel geholfen. Im Januar 1946 erblickten sie endlich die goldenen Dächer des Potala, des Wahrzeichens von Lhasa, das für die Tibeter dasselbe ist wie Rom für die gläubigen Katholiken. Der Potala ist der Wintersitz des Dalai Lama. Er hat 13 Stöcke, 1000 Zimmer und ist 110 m hoch. Es steht momentan leer, weil der Dalai Lama seinen Sitz in Indien hat.
Die Menschen aus Lhasa bewunderten Harrer und Aufschnaiter sehr, was sie alles mitgemacht haben und wie gut sie Tibetisch sprechen konnten, wenn es auch nur ein Bauerndialekt war. Sie bekamen viel Besuch. Jeder wollte ihre Geschichte hören. Sie wurden sogar in das Elternhaus des Gottkönigs eingeladen und von den Menschen immer mehr geachtet. Da haben sie das Überreichen der Seidenschleife zum ersten Mal gesehen. Bei jedem Besuch, bei jeder Bitte an einen Höherstehenden und zu den großen Festen werden weiße Schleifen überreicht. Ihr größter Wunsch war, Asyl und Arbeit zu bekommen. Die Bevölkerung konnten sie von ihrer Harmlosigkeit überzeugen. Sie bekamen einen Einblick in das Familienleben der Adeligen. Sie beneideten die Tibeter, dass sie immer Zeit hatten. Die Tibeter mögen, wenn sie eine Gelegenheit zum Lachen haben. In Tibet herrscht kein Bekehrungsfanatismus. Jede andere Religion wird respektiert. Harrer und Aufschnaiter haben sich gut eingelebt aber manchmal spürten sie Heimweh, sie sehnten sich nach einer Nachricht aus der Heimat. Sie durften bei religiösen Festen (z.B. Neujahrsfest) dabei sein, bei denen sonst keine Fremden erwünscht waren. Obwohl sie sich nicht mehr als Außenstehende fühlten, schon verschiedene Aufträge hatten und noch weitere bekamen (wie Stadtplan machen, Damm bauen usw.), wurden sie trotzdem ausgewiesen. Aber Harrer hatte solche Ischiasschmerzen, dass sie nicht weiter ziehen konnten.
Harrer war mit dem Bruder des Dalai Lama befreundet und später lernte er auch den Dalai Lama persönlich kennen. Für viele ist es der größte Augenblick ihres Lebens, wenn sie vom Dalai Lama gesegnet werden. Seine neue wertvolle Aufgabe war, den Dalai Lama zu unterrichten. Er gab ihm Stunden in English, Rechnen, Geographie und hat dem 11-jährigen Gottkönig von der westlichen Welt erzählt. Die gemeinsam verbrachten Stunden bedeuteten beiden sehr viel. Harrer war der erste Europäer, der im Potala und im Sommergarten des Dalai Lama wohnen durfte. Er wurde auch noch Kameramann des Dalai Lama, in seinem Auftrag machte er Filmaufnahmen von religiösen Festen.
Aber die politische Lage verschlechterte sich. Es gab wieder eine Bedrohung von den Chinesen. Tibet gab sonst fast niemandem eine Einreisebewilligung, aber sie sahen langsam ein, dass wenn sie weiterhin so isoliert blieben, sie in großer Gefahr wären. So ließen sie ausländische Journalisten ins Land einreisen, dass sie vor der ganzen Welt die Unabhängigkeit des Landes zum Ausdruck bringen. Im Februar 1940 bestieg der neue Dalai Lama den Thron. Die Menschen hofften, wenn sie die Macht in die Hände des Dalai Lama legen, wird er das Land aus dieser schwierigen Lage herausholen. Aber die Lage war ziemlich aussichtslos, von außen bekamen sie auch keine Hilfe. Im Jahre 1950 wurde das Land von den Chinesen angegriffen. Henrich Harrer und Peter Aufschnaiter mussten das Land verlassen. Der Dalai Lama mit seinen Anhängern flüchtete ebenfalls. Die Chinesen erkannten den Dalai Lama zwar offiziell als Oberhaupt der Regierung an, in der Wirklichkeit aber waren sie die Machthaber.
Heinrich Harrer hat nach seiner Heimkehr seine Memoiren „Sieben Jahre in Tibet” herausgegeben. Sie wurden in 53 Sprachen übersetzt und in mehr als 40 Millionen Exemplaren verkauft. Nach dem Buch wurde 1997 auch ein Film gedreht, in dem Harrers Rolle von Brad Pitt gespielt wurde. Der Film war einen großen Erfolg. Harrer hat noch mehrere Bücher geschrieben, Vorträge über seine Erfahrungen gehalten. Er bekam zahlreiche Auszeichnungen, z.B. Gold Humboldt Medal. Er wurde als ehrlicher Beschützer der Menschenrechte weltweit bekannt. Er hat mit dem Dalai Lama eine lebenslängliche Freundschaft geschlossen. Er kehrte noch nach Tibet zurück, aber war von den dortigen Zuständen schockiert. Von dem Bild des unabhängigen und feudalen Tibets gab es nichts mehr zu sehen. Die Stimmung ist zwischen den Chinesen und den Tibetern bis heute düster. Es gibt verschiedene Initiativen auf der ganzen Welt, die Tibets Freiheit verkünden.