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Zeitung << 2/2003 << Entdeckungstour in dem Schweizer Land


Entdeckungstour in dem Schweizer Land
Autorin: Bernadett Paor Smolc

Damals war ich neunzehn. Ich hatte gerade das Abitur abgelegt und hatte statt dem Studium ganz andere Gedanken im Kopf. Ich wollte das Studium auf später verschieben, nur meinen Koffer packen und in die Schweiz fahren. Ich war immer von dem Land fasziniert und wollte es unbedingt kennen lernen. Ich hatte meine eigenen Vorstellungen über dieses Land. Einige haben sich bestätigt, andere nicht. Die Zeit, die ich dort verbrachte, reicht dazu, ein allgemeines Bild von dem Land und den Leuten aufzustellen. Aber jedes Mal, wenn ich in die Schweiz fahre, bekomme ich neue Züge dieser Welt zu Gesicht.

Die Schweiz ist ein vielfältiges Land. Vielfalt auf kleinem Raum gibt es nicht nur bei den Sprachen, sondern auch bei den Landschaften. Nur wenige Kilometer trennen die Hochgebirgsgletscher von den palmenbestandenen Seeufern der Alpensüdseite.

Dienstleistungen
Der Dienstleistungssektor ist der wichtigste Wirtschaftsbereich. Der Fremdenverkehr gehört seit 200 Jahren zu den Haupteinnahmequellen des Landes. Der Fremdenverkehr blüht, aber die Gefahr besteht immer, dass die Nachbarländer mit ihren günstigeren Angeboten die Schweiz in den Hintergrund drängen, wie z.B. im Fall der Winterurlauber, derer Zahl in den letzten Jahren abgenommen hat. Die Qualität der Dienstleistungen ist in jedem Bereich beispielhaft. Es wird von den Angestellten eine genaue Arbeit und die größte Leistung erwartet. Einige kommen mit diesem Arbeitstempo nicht zurecht und laufen davon. Aber wenn man sich bemüht, kann man diesen Erwartungen entsprechen. Die Schweiz hat einen sehr hohen Lebensstandard, was ich selbst erfahren habe, als ich bei Schweizer Familien auf Besuch war. Sie leben wirklich in sehr guten Verhältnissen, aber das heißt noch gar nicht, dass ein Durchschnittsbürger über wahnsinnig viel Geld verfügt, sondern sie verdienen so viel, dass sie von diesem Geld ihren Preisen entsprechend ein anständiges Leben führen können.

Banken
Die Schweiz ist nicht ohne Grund zu einem internationalen Bankenplatz und Finanzzentrum geworden. Die politische Stabilität und die Zuverlässigkeit der Banken (wie das strenge Bankgeheimnis) haben die Menschen (auch im Ausland) davon überzeugt, dass es sich lohnt, ihr Geld in einer Schweizer Bank zu haben. Das internationale Ansehen wurde aber ab 1996 mit dem Bekanntwerden von Goldgeschäften (Raubgold aus von Deutschland besetzten Staaten und von jüdischen Opfern) von Schweizer Banken mit dem nationalsozialistischen Deutschland geschädigt. Man stellt sich vor, dass die meisten Schweizer bei einer Bank angestellt sind. Aber das ist ein Irrtum, sie üben auch ganz alttägliche Jobs aus.

Isolation
Die Schweiz ist in gewisser Weise isoliert. Sie will weiterhin ihre Neutralität bewahren. Sie kommt sich unter den sie umgegebenen EU-Ländern wie ein Außenseiter vor. Aber mit dem Abkommen von 1999 über die Handels- und Verkehrsbeziehungen zwischen der Schweiz und der EU kommt es zu einer Annäherung der Alpenrepublik an die europäische Staatengemeinschaft. Die Schweizer besitzen umfangreiche direktdemokratische Rechte: Die Verfassung verpflichtet sie bei wesentlichen politischen Entscheidungen und Gesetzen zu Volksabstimmungen.

Mentalität
Die Schweizer haben eine andere Mentalität wie wir Ungarn. Vielen fällt es schwer, sich dort einzuleben. Ich habe längere Zeit in der Schweiz verbracht, viele Leute kennen gelernt. Meiner Meinung nach liegt viel an uns, wie wir mit ihrer Mentalität und Lebensstil umgehen können. Ich glaube, ich habe mich gut einleben können, aber es war nicht schwer, ich war von vielen netten Menschen umgegeben. Ich möchte auf keinen Fall ein Urteil abgeben, wie nett oder wie unfreundlich die Schweizer sind. Es kommt darauf an, wie man sich einem Schweizer gegenüber benimmt. Liebe und böse Menschen sind in jedem Land zu finden. Sie haben schon eine geschlossene Art, die uns Ungarn und besonders den Südländern komisch vorkommt. Das würde ich aber nicht eindeutig für negativ halten. Sie brauchen einfach eine gewisse Zeit, bis sie dich akzeptiert haben.

Bräuche
Sie legen viel Wert auf die alten Bräuche, die je nach Jahreszeit ihre Rollen spielen. Die Schweizer haben ein Bedürfnis nach bleibenden Werten. Sie haben vergnügliche Sommerfeste, aber in der kälteren Jahreszeit wird auch gefeiert. Die Schweizer haben Freude am gemeinsamen Tun, Handeln und Feiern. Ich war bei der bekannten Luzerner Fastnacht dabei und habe mein eigenes Kostüm gehabt, dass ich mich ja nicht als Außenstehender fühle. Das war ein einmaliges Erlebnis. Sie sind stolz auf ihre Geschichte und auf ihren Nationalheld Wilhelm Tell, der den Apfel auf dem Kopf seines Sohnes während des Armbrustschiessens getroffen hat. In dem Herzen der Schweizer herrscht eine gewaltige Vaterlandsliebe. Sie sind stolz darauf, ein Schweizer sein zu dürfen. Die Schweiz könnte für viele Länder ein Vorbild sein. Die Menschen unternehmen viel miteinander, sie gründen Vereine (wie: Sängerverein, Turnverein, Damen- und Männerriege, ornithologischer Verein usw). Sie pflegen mit Fremden die zwischenmenschlichen Beziehungen. Diese Gewohnheiten vermisse ich in Ungarn. Wie Einheimische und Fremde aufeinander angewiesen sind, sehen wir im kulturellen Bereich. Die Fremden haben große Freude an Alphornblasen, an den Bauerntrachten, am Fahnenschwingen, am Jodeln usw. Sie helfen dabei, dass diese Traditionen erhalten bleiben.

Sprache
In der Schweiz gibt es vier Amtssprachen. Im Norden und Osten spricht man Deutsch, im Westen Französisch, im Süden Italienisch und im Süd-Osten teils neben Deutsch noch Rätoromanisch. Ich war in der Deutsch-Schweiz, so habe ich das „Schwiitzerdüütsch” gehört. Am Anfang habe ich mit dem Dialekt Schwierigkeiten gehabt. Es hat mindestens ein halbes Jahr gedauert, bis ich mich daran gewöhnt habe. Nehmen wir einen Beispielsatz: Das Wetter ist schön gewesen. Das heißt im Dialekt: „Das Wetter isch schön gsi.” Wie hätte ich das bitte verstehen sollen? Ich habe sozusagen eine neue Sprache erlernt. „Schwiitzerdüütsch” ist eine einmalige Sprache, die nur von Schweizern gesprochen wird. Deutsch, aber doch nicht Deutsch. Man stellt sich vor, wenn man schon eine Sprachprüfung für Oberstufe gemacht hat, wird man sich verständigen können. Sie verstehen schon Hochdeutsch (in der Schule müssen sie auch Hochdeutsch lernen), aber sie antworten gern in ihrem Dialekt. Ich habe mir jeden Tag den Kopf zerbrochen, wie ganz alltägliche Dinge im Dialekt heißen sollen. Früher oder später kam ich darauf.

Küche
Das Essen hat mir am Anfang nicht geschmeckt. Sie essen viel Käse und die Schweizer Spezialität, das Käsefondue, ist auch nicht nach meinem Geschmack. Aber das ist Geschmacksache. Andere Länder, andere Sitten. Es wird viel Salat und Gemüse gegessen, die Schweizer Küche ist wesentlich gesünder als unsere und recht vielseitig, jedes Gebiet hat seine typischen Gerichte: Rösti, Zürcher Geschnetzeltes, Hörnli und Gehacktes, Engadiner Gerstensuppe.

Hygiene
Man hört immer, wie sauber die Schweizer sind, das stimmt schon. Aber sie selber geben zu, dass sie viel zu hygienisch sind. Wenn sie ins Ausland fahren, dann bekommen sie bestimmt Durchfall, weil sie so überempfindlich sind. Das Gastgewerbe, das Gesundheitswesen usw. werden vom jeweiligen Kanton (entspricht etwa den ungarischen Komitaten) ständig überprüft. Ich habe es fast nicht geglaubt, welche strengen Vorschriften man befolgen muss.

Schaut euch die Schweiz selber an. Hoffentlich habt ihr durch meine Erzählung Lust dazu bekommen. Ich kann euch herzlich empfehlen, eine Reise in die Schweiz zu unternehmen.