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Zeitung << 2/2003 << Au-Pair-Junge in Aachen


Au-Pair-Junge in Aachen
Autor: László Bereczki

Möglicherweise finden viele den Namen Au-Pair-Junge sehr lustig. Ich auch, obwohl ich ein Jahr in Deutschland als Erzieher, als Au-Pair verbrachte. Folgende Geschichte ist mir sehr lieb. Die Zeit mit meinen „Söhnchen” machte mir viel Spaß.

Wenn man Au-Pair werden möchte, muss man ein Formular z.B. nach Deutschland schicken. Meine Meldung war ganz einfach: Meine Schwester kam einmal nach Hause und fragte mich, ob ich Lust hätte als Au-Pair zu arbeiten. Plötzlich erschrak ich: Ich bin doch ein Mann! Das Gefühl dauerte aber nicht lange. Nach zwei Wochen schickte ich die Anmeldung nach Aachen. Bis die Antwort kam, dauerte es lang. Fast vergaß ich es schon. Nach einigen Monaten kam ein Brief von der Familie Lennartz: Sie wollten mich beschäftigen.
Mein wunderschönstes Jahr oder Reise fing im Januar 2000 an, als mein Visum ankam. Die Fahrt von Budapest nach Köln dauerte mit dem Bus 16 Stunden. Bis Köln hatte ich keine Angst. Aber als ich den Dom ansah, wusste ich: Jetzt gibt es keine Rückfahrt mehr! Der Bus war früher auf dem Bushof, wo keiner auf mich wartete. Nach zirka 20 Minuten erschien die Familie. Im Brief schickten sie auch Fotos, aber es gab gar keine Ähnlichkeit zwischen dem „Original“ und den Bildern. Ich dachte, wenn sie mich mitnehmen, gehe ich mit. Nur nicht auf dem Bushof bleiben. Es könnte sein, dass es eine andere Familie war. Damals konnte ich nicht sehr gut Deutsch, eigentlich nichts außer meinem Namen. Deshalb machte ich am Anfang viele lustige „Redewendungen”. Dazu noch der erste Monat! Alles war neu, eine andere Sprache und noch zwei Kinder dazu.
Die Eltern, Ernst und Irmgard, versuchten mein Leben immer zu erleichtern, obwohl ich Tag für Tag „arbeiten” musste. Das war aber keine richtige Arbeit! Mit Jan und Moritz war es in den restlichen elf Monaten schön, und im Haushalt musste ganz wenig getan werden. Jeden Tag standen wir um sieben Uhr auf und frühstückten mit Jan und Moritz. Um neun mussten sie im Kindergarten sein. Wir fuhren mit dem Bus, den „meine Söhnchen” besonders mochten. Am Vormittag hatte ich noch immer etwas zu tun: Aufräumen, Kochen. Das Kochen hatte eine wichtige Bedeutung: Was ich machte, wurde immer als ein für Ungarn typisches Essen betrachtet: Gulasch, Fischstäbchen, Gyros (obwohl das eigentlich ja nicht typisch ungarisch ist). Vor dem Essen wurden die „Zwerge“ abgeholt, und wir aßen zusammen am Kindertisch. Jan und Moritz hatten eigene Löffel, Gabel und Messer, mit Enten und Giraffen. Wenn sie sie nicht bekamen, war der ganze Tag total schlimm. Noch wichtiger waren die Becherchen: Für Jan lila, für Moritz gelb, andere Farben waren unvorstellbar. Nach dem Essen räumten wir auf, und warteten auf die Mama, die gegen zwei Uhr am Nachmittag in der Süstereau Straße war. Am Nachmittag hatte ich frei. Die Eltern waren sehr tolerant, und das war mein Glück. Wir kamen sehr gut miteinander aus. Ernst ist Informatiker, Irmgard Ärztin. Sie hatten verschiedene Hobbys, die ich sehr interessant fand. Sie hatten beispielsweise mehrere Tausende Dias. Ich kaufte mir auch eine ganz gute Kamera, und machte nur Dias, womit ich meine Freizeit verbrachte. Ernst fuhr gerne mit dem Fahrrad. Das Gebiet, wo sie wohnen, ist übrigens wunderschön. Ernst erzählte mir jeden Tag davon, wo er mit dem Rad nachmittags war, und daraufhin kaufte ich mir auch ein Rennrad in Holland. Reisen ist auch ein Hobby der Lennartz’. Ich war mit ihnen in Terschelling, in Belgien oder Holland fast jeden Tag. Während meines Aufenthalts in Deutschland besichtigte ich auch Köln, Düsseldorf, Koblenz, Bonn und Frankfurt. Ein durchschnittlicher Tag war einfach, aber jeden Tag gab es etwas! Als ich ankam, wurden die Kinder krank. Sie hatten Fieber und Durchfall. Dann merkte ich schon, dass sie doch leben und sehr klein sind. Nach einigen Tagen war es schon viel besser, obwohl mich die Eltern mit den Kindern zuerst noch nicht allein ließen: Oma Anita half mir. In der zweiten Woche blieben wir zu dritt: Jan, Moritz und Laci (auf Deutsch Laszi, Lazi oder Lasi). Ich war überrascht, dass sie mich verstanden. Jan war lange mein Dolmetscher mit seinen vier Jahren.
Wie alle Kinder, wollten sie auch sehen, was sie noch machen durften. Es war mein schlimmster Morgen! Ich wusste, dass diese Teufelchen gerne mit dem Bus zum Kindergarten fahren. Gegen halb neun warteten Jan und Moritz an der Bushaltestelle, ich ging aber weiter. Zehn Minuten lang mussten sie hinter mir laufen: „Heute kein Bus!!!”. Das wurde später mein Zaubersatz. Ich war aber entschädigt, als die Kinder von mir morgens im Kindergarten mit einem Kuss Abschied nahmen. Lange dachten die Eltern der anderen Kinder im Kindergarten, dass ich der Lennartz Papa bin. Ich liebte sie. Als ich nach Hause fuhr, musste Moritz zum Logopäden gehen: Er hatte einen ungarischen Akzent.
Dieses Jahr war wunderschön. Die Familie Lennartz mit den vielen Erlebnissen fehlt mir. Ich vermisse auch die Stadt Aachen, die Umgebung, die Reisen, die Freunde und das Dreiländereck (Holland, Belgien und Deutschland). Im ersten Monat fand ich auch Freunde, die zu meinen allerbesten gehören. Die Freizeit verbrachten wir immer zusammen. In der Stadt, wo ich gerne leben würde, auf den Straßen, wo ich stundenlang spazierte. Zu Weihnachten blieb ich in Aachen, und die Feiertage verbrachten wir zusammen. Drei Tage lang aßen wir die besten Gerichte. Die Geschenke, die ich zu Weihnachten bekam, waren sehr schön. Als die Kinder schon im Bett waren, erzählten sie von den Reisen. Es war sehr schön: Feuer im Kamin, schön warm. Diese Weihnachten zähle ich zu den allerliebsten.
Das war mein schönstes Jahr. Ich würde es gerne noch einmal machen. Es gab aber auch eine lange schreckliche und traurige Zeit: Der letzte Monat. Alle wussten, dass ich nicht mehr lange bleiben würde. In der letzten Woche hatte ich wechselnde Gefühle: nach Hause oder bleiben. Als wir Abschied nahmen, wusste ich schon, was am schlimmsten ist: „Auf Wiedersehen!“, zu sagen. Man kann oft nur hoffen, dass es ein Wiedersehen gibt. Für mich gab es schon ein Wiedersehen mit ihnen. Im April 2002 war ich wieder bei meinen Freundchen, und verbrachte dort einen ganzen Monat. Manchmal sprechen wir auch seitdem. Hoffentlich wird das nächste Treffen mit Jan, Moritz, Irmgard und Ernst bald stattfinden.