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Who the **** is DJ Ötzi?
Autor: Balázs Szénási

Südtirol war über Jahrhunderte hinweg und ist immer noch eine Art „Bindeglied“ zwischen Norden und Süden, zwischen dem Mittelmeerraum und Mitteleuropa, und war dadurch schon immer Ziel von Eroberungen, Auswanderern und Stätte der Begegnung für verschiedene Kulturen. Es handelt sich um ein Gebiet, in dem die Grenzen nicht Abschottung, sondern Öffnung gegenüber den angrenzenden Gebieten bedeuten. So war es im Altertum und im Mittelalter, seit dem es hier eine deutschsprachige Mehrheit gibt, die bis heute in Harmonie mit den beiden Minderheiten, mit der italienischen und der ladinischen Volksgruppe zusammenlebt. Kein Wunder, dass die grenzübergreifende Zusammenarbeit der Region mit ihren Nachbarn auch von der EU häufig als Beispiel genannt wird.

Die autonome Region Trentino-Südtirol gehört seit Ende des ersten Weltkriegs verwaltungstechnisch zu Italien. Sie ist das nördlichste Teil des Landes, wird von der Schweiz, von Österreich und von den beiden italienischen Regionen Lombardien und Venetien umschlossen. Sie hat eine Ausdehnung von 7400 Quadratkilometern. Es leben hier ungefähr 430000 Menschen.

Die Natur im Mittelpunkt
Hierzulande steht die Natur absolut im Mittelpunkt, das Landschaftsbild weist einen Höhenunterschied von über 3000 m auf, und ca. 17 % der Gesamtfläche stehen unter Naturschutz. Geologie und Geschichte hängen ganz eng zusammen. Das gilt für die Täler, und noch mehr gilt es für die Berge. Was heute den Grund für den Reichtum der Bewohner bedeutet, war Jahrtausende lang Grund für ihre schwerste Armut. Heutzutage stellen die Berge wunderschöne Kulissen fürs Leben oder für die Ferien dar, früher sind sie hinterhältige und unbezwingbare Gegner der Bergbauern in ihrem tagtäglichen Kampf gegen die Natur gewesen. Bis in die 70er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts, als das Straßennetz vollständig ausgebaut worden ist, waren die kleinen Bergdörfer von der Außenwelt mehr oder weniger abgeschnitten. Und Südtirol ist wirklich eine Gebirgsregion, etwa 80 % des Gebiets liegen oberhalb von 1000 m über dem Meeresspiegel. Hier erheben sich die Dolomiten, eine faszinierende Gebirgsgruppe, die ihren Namen nach dem französischen Wissenschaftler Dolomieu bekommen hat, der als erster die Gesteinszusammensetzung dieser Berge erforscht hatte. Er stellte fest, dass diese südlichsten Ausläufer der Alpen neben dem übrigen Kalkstein recht viel Porphyr enthalten, vulkanischen Stoff, der neben der außerordentlichen Härte auch die typische rosarote Färbung den Felsen verleiht. Während der Wurmeiszeit erstreckte sich hier der ausgedehnte Etschgletscher, an mehreren Stellen war der Eisschicht über 1000 m dick, und schnitzte die entzauberten zackigen Formen in die Felsen herein. Entzückende Naturerscheinungen wie die Erdpyramiden von Segonzano lassen einen sogar an den Gesetzen der Physik zweifeln.
Es gibt auch eine Menge Hochebenen, die sich im Frühling in ein einziges Blumenmeer verwandeln, wo alle für die Alpen bekannten Arten aufzutreffen sind, die seltene und farbige Schmetterlinge anziehen. Im Sommer und Herbst lassen sich hier, auf den Spuren des Südtiroler Nationalhelden, Bergsteiger und Naturfilmstar Luis Trenker wunderschöne Wanderungen gestalten, und im Winter findet man die besten Sportmöglichkeiten auch hier. Die Seiser Alm ist die höchstgelegene Alm ganz Europas (1800-2200 m ü.M.), die im Winter dem Dolomiti Superski System zugeschaltet wird, das mit seinen über 1000 km Pistenlänge zu den größten Skigebieten von Europa gehört. Es gibt aber berühmtere Wintersportgebiete, z.B. Madonna di Campilio und Cortina d’Ampezzo. Beide Städtchen durften schon die Teilnehmer der Olympischen Winterspiele empfangen, ihre mondäne Atmosphäre zieht die Reichen und Schönen aus ganz Europa an.

Finnland Italiens
Wegen seiner großen Anzahl an Gewässern wird das Gebiet manchmal als „Finnland Italiens” bezeichnet: es gibt immerhin über 600 kleinere und größere Seen, unzählige Wildbäche und Flüsse, gesunde, vor allem arsen- und eisenhaltige Thermalquellen und heute noch 177 Gletscher. Ihre Eisschicht ist jedoch wesentlich dünner als die ihrer schweizer und österreichischen Geschwister, und wenn die globale Erwärmung so weitergeht, schmelzen sie in den nächsten 40 Jahren alle weg und an ihrer Stelle werden wunderschöne Gletscherseen übrigbleiben. Es gibt unzählige Beispiele für solche Seen. Der berühmteste ist aber wohl der Gardasee, der größte See Italiens, wovon übrigens der nördlichste Teil mit der Hafenstadt und Olivenzentrum Riva del Garda, der ehemaligen Grenzstadt Limone (limes) und dem Surfparadies Torbole auch zu Trentino-Südtirol gehört. Typischerweise hat jede Ortschaft etwas zu bieten, versucht mit charakteristischen Gesichtszügen die Touristen anzulocken. In der Mentalität der Leute spiegelt sich ihr Kulturerbe wider, ein anziehendes Gemisch der italienischen Lebenslust, der Lebenskraft der Bergbauern, gesalzt mit einem Hauch deutscher Gemütlichkeit, immer lächelnd, und ein weltoffener Blick.

Ötzi und die Geschichte Südtirols
Dank der natürlichen und kulturellen Sehenswürdigkeiten gibt es einen anderen Beinamen für die Region, nämlich „Land der Rekorde”, und das nicht ohne Grund. Es werden jedes Jahr Übernachtungsrekorde gefeiert. Kaum zu glauben, aber über 50 % des Gesamteinkommens, das im ganzen Land aus dem Tourismus einfließt, kommt von hier. Die historischen Altstädte von Trient, Bozen, Brixen und Meran haben die Weltkriege gut überstanden. Sie sind richtige Schmuckkästchen. In den schmalen Gassen fühlt man sich manchmal wie auf einer Zeitreise, an jeder Ecke gibt es irgendwelche Kunstdenkmäler. Auch Ötzi, die Eisleiche vom Similaungletscher ist in der Provinzhauptstadt Bozen zu sehen. Der eiszeitliche Jäger verbrachte eingefroren etwa 5600 Jahre im Ötztal-Gletscher. Die ältesten Spuren gehen auf die Zeit der Räter zurück, die Ahnen der Ladiner erreichten das Gebiet vor etwa 3000 Jahren. Um Christi Geburt nahmen es die Römer unter ihre Herrschaft, unter dem Namen Gallia Cisalpina. Sie bauten feste Straßen, gründeten Städte, brachten Wein- und Badekultur und benutzten die Provinz als militärisches Sprungbrett für spätere Eroberungen. Während der Völkerwanderungszeit ließen sich Ostgoten, Langobarden und Bajuwaren für kürzere Zeit nieder, dann gliederte Karl der Große das Gebiet als eine Mark in das Frankenreich ein. Die vielen Festungen und Schlösser sind Zeugen der jahrhundertelangen Kriege zwischen den deutschen Kaisern und den Päpsten, bis endlich der galante Graf von Tirol 1363 das Land in „Schutz” nahm und bis zum Ende des ersten Weltkriegs regierten die Habsburger. Unter dem „politischen Kuhhandel” von Mussolini musste die deutschsprachige Bevölkerung einige Atrozitäten hinnehmen. Viele Süditaliener zogen hin, aber seit den 50er Jahren wurden alle autonomistischen Forderungen wahr, heute genießt die Region eine weitgehende wirtschaftliche, politische und kulturelle Unabhängigkeit von Rom. Demokratische Prinzipien garantieren die Rechte der Volksgruppen. Tradition und Toleranz sind die Schlüsselwörter. Neben dem Tourismus spielt auch Landwirtschaft eine führende Rolle, vor allem Apfel und Wein wird hier in riesigen Mengen auf höchstem Niveau angebaut. Auch Speck und Käse nehmen einen wichtigen Platz unter den typischen Produkten Südtirols ein.

Geschichte und Kultur, Natur und Sport, der schöne Dialekt und um zu erfahren, warum Ötzi so ein guter Liebhaber ist, sind gute Gründe, dort hinzugehen. Aber wenn man dort ist, reicht einem die Zeit bestimmt nicht, alle Wunder zu kosten, und man beginnt schon fürs nächste Mal zu planen. Kaum eine andere Gegend Europas bietet das ganze Jahr hindurch so vielseitige Möglichkeiten. Lasst euch überraschen!