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Zeitung << 2/2003 << Lesen wir zusammen!


Lesen wir zusammen!
Trilaterales Seminar 2003 in Szeged

Autorin: Szilvia Gál

Vom 9. bis 13. Juni 2003 fand das trilaterale Seminar im Grand Café in Szeged statt, jetzt zum zehnten Mal. Das Jahr davor waren wir in Göttingen, jetzt aber empfingen wir unsere Gäste aus Göttingen und Torun (zur Geschichte des Seminars und der Partnerschaft zwischen den Universitäten Göttingen, Torun und Szeged vgl. GeMa 2/2002). Das diesjährige Seminar hätte das Motto „Lesen und interpretieren wir zusammen!“ haben können. Der Schwerpunkt des Seminars war diesmal die ungarische Gegenwartsliteratur in deutscher Sprache, die Werke von Imre Kertész, Sándor Márai und László Darvasi. Aber wir beschäftigten uns auch mit je einem Werk von Günter Grass und Bruno Schulz.

Vorbereitungen
Im ganzen Sommersemester trafen wir uns Montag abends mit den Seminarleitern Attila Bombitz und Miklós Fenyves und arbeiteten allmählich an den Werken. Die Teilnehmer des Seminars wurden später in drei Arbeitsgruppen aufgeteilt, und jede hatte einen Leiter, der die effektive Arbeit koordinierte. Die Gruppen hatten die Aufgabe, über das gewählte Werk ein Referat zu halten und die gesammelten Fragen und Gedanken im Kreis unserer Gäste zur Diskussion zu stellen. Die erste Gruppe unter der Leitung von Miklós Fenyves hatte den „Roman eines Schicksallosen“ von Imre Kertész, die zweite mit Szilárd Vakarcs „Die Glut“ von Sándor Márai, und die dritte mit Attila Bombitz „Die Veinhagener Rosensträucher“ von László Darvasi bearbeitet.

Begrüßungsabend
Und endlich kam der 9. Juni. Die 19 Gäste aus Göttingen und Torun kamen zusammen an. Nach der Ankunft besichtigten sie die Uni und unser Institut, die ihnen sehr gut gefielen. Nachdem sie ins Studentenheim Móra eingezogen waren, versammelten wir uns zu einem gemeinsamen Begrüßungsabend im Grand Café, das der Ort unseres viertägigen Seminars war. Bei einem Bier oder Wein gelang es uns leichter, einander kennen zu lernen und über die gemeinsame Arbeit zu sprechen.

Das Seminar
Für den zweiten Tag hatten wir für die Gäste eine Stadtführung organisiert, bei der sie den Dom und die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt besichtigten. Am Nachmittag begann das erste Gespräch über den Roman „Die Glut“ von Sándor Márai. Wir verglichen u.a. die Übersetzung des deutschen Titels mit dem ungarischen („A gyertyák csonkig égnek“), und stellten die zwei Seiten, die zwei Perspektiven nebeneinander. Am Abend hörten wir uns einen interessanten Vortrag über Márais Roman von István Fried in deutscher Sprache an.
Am dritten Tag fingen wir mit dem Werk „Im Krebsgang“ von Günter Grass an. Unsere deutschen Gäste haben uns sehr merkwürdige Aufgaben gestellt. Wir wurden in fünf Gruppen aufgeteilt und mussten persönlich auf die zusammengestellten Fragen antworten: ob wir z.B. über den zweiten Weltkrieg sprechen sollten. Wir sollten über das Problem der Erinnerung, die Generationsverhältnisse und den Erzählerstandpunkt im Werk sprechen. Eine rätselhafte Frage war noch die Bedeutung des Titels, sowohl auf Deutsch als auch auf Ungarisch („Ráklépésben“). Das Ziel war damit, die schwierigen Teile des Textes durchzusprechen und unsere eigenen Erfahrungen beim Lesen des Werkes mitzuteilen.
Dann beschäftigten wir uns mit dem Roman des Nobelpreisträgers Imre Kertész. Das Werk wurde mehrmals unter die Lupe genommen, und wir versuchten Antworten auf die uns interessierenden Fragen gemeinsam zu suchen: warum dieser Roman in Deutschland so erfolgreich wurde, oder wie man darüber eigentlich sprechen kann. Am Nachmittag folgte ein lockeres, freies Programm: Strand, Bibliotheksbesuch, Besuch der fremdsprachigen Buchhandlung in Szeged. Ehrlich gesagt gefiel uns das angenehme Baden in der Theiß in der großen Hitze sehr gut.
Am letzten Tag hielten die polnischen Studenten ein Referat über die Erzählung „Frühling“ des ausgezeichneten polnischen Autors Bruno Schulz. Sie versuchten dieses schwere Werk durch die Stimmung der Österreich-Ungarischen Monarchie uns näher zu bringen und diesen symbolischen Frühling verständlich zu machen. Am Nachmittag hielten wir das Seminar wegen der immer noch großen Hitze im Park am Széchenyi Platz. Das Thema war ”Die Veinhagener Rosensträucher” von László Darvasi. Gleich danach konnten wir auch den Szegeder Autor Darvasi treffen, der aus seinem neuen deutschsprachigen Buch „Die Loyanger Hundejäger“ chinesische Geschichten vorlas. Die zahlreichen Zuhörer, unter ihnen auch mehrere Dozenten unseres Instituts, konnten den Stil bewundern, wie er seine Werke vorlas. Nach der Lesung konnte man sich mit ihm unterhalten und er antwortete gerne auf unsere Fragen. Zum Schluss machten wir eine Party im Studentenheim Móra, und, wie am Anfang, verabschiedeten wir uns bei einem Bier oder Wein mit den Worten „Wir sehen uns nächstes Mal in Torun“.