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Zeitung << 2/2003 << Vielfältige Angebote an der Universität Konstanz


Vielfältige Angebote an der Universität Konstanz
Das Leben einer ungarischen DAAD-Stipendiatin in Konstanz

Autorin: Anita Fekete

Die relativ junge Universität am Bodensee liegt in einer wunderschönen Gegend direkt an der Schweizer Grenze. Die Stadt Konstanz bietet zahlreiche kulturelle Programme. Die Museen, Ausstellungen, Konzerte und natürlich der Bodensee sind eine große Anziehungskraft der historischen Stadt, in der das in der Geschichte bekannte Ereignis, das Konzil, stattgefunden hat. Konstanz ist sehr eng mit der Schweizer Kleinstadt Kreuzlingen verbunden.

Mit der Universität Konstanz entstand im Süden der Prototyp einer modernen und kompakten Campusuniversität. 1965 entwickelte der Gründungsausschuss der Universität das Konzept einer Reformuniversität mit neuen Formen von Studium, Lehre und Forschung. Von Anfang an war die Universität als Lebens- und Arbeitsort geplant, an dem neuen Formen von Forschung und Lehre auch in der Architektur Ausdruck finden sollten. Verdichtete Bebauung, kurze Wege, der Verzicht auf große Hörsäle zugunsten einer Vielzahl von Seminarräumen sowie die Abwechslung zwischen Arbeitsbereichen, Verkehrsflächen und Ruhezonen gehören zum Baukonzept.
Seitdem ich an der Universität Konstanz studiere, habe ich einen Einblick ins Leben der deutschen Studierenden bekommen. Und obwohl die Unterschiede zwischen dem ungarischen und deutschen Unterrichtssystem riesengroß sind, fühle ich mich dank der hilfsbereiten Betreuung des DAAD wie zu Hause.
Die Universität bietet nicht nur eine große Palette von Lehrveranstaltungen und sichert gute Lernbedingungen, sondern kümmert sich auch um die Unterhaltung und das Wohlbefinden der Studenten. Die Uni bemüht sich, die Studierenden in ihrer Freizeit so oft wie möglich wieder in die Wände der Uni zurückzulocken.

Die regelmäßigen und anspruchsvollen Filmvorführungen des Asta-Kinos, die verschiedenen Vorträge über alle Themen der Fachbereiche der Uni und die zahlreichen Partys geben immer mehr Studenten Ansporn, die vielfältigen Angebote zu nutzen, was natürlich auch eine gute Möglichkeit für uns ausländische Studenten ist, neue Menschen, Kulturen und Gewohnheiten kennen zu lernen und auch Kontakte mit den deutschen Studenten zu knüpfen.

Das ist allerdings keine so einfache Aufgabe, wie ich es mir früher gedacht habe. Diese sind schon daran gewöhnt, immer wieder neue ausländische Studenten kennen zu lernen und nach 1-2 Semester wieder zu vergessen. Kein Wunder, dass die Mehrheit der deutschen Studenten lieber einen festen Freundeskreis sucht, um nicht immer wieder Abschied nehmen zu müssen.
An dieser Universität ist die Vorlesung als Veranstaltungsform nicht so sehr beliebt wie in Ungarn. Ich war sehr überrascht, als ich das Veranstaltungsverzeichnis in der Hand hielt, da nur drei Vorlesungen angeboten wurden, und die auch nicht zwingend für den Scheinerwerb sind. Hier haben eigentlich die Seminare viel größeren Wert und Wichtigkeit. Die sogenannten Proseminare sind die Veranstaltungen, die als Grundsteine des weiteren Studiums gelten. Die Hauptseminare sind schon viel schwerer zu leisten und es verlangt natürlich auch viel mehr Arbeit, in diesen Seminaren einen benoteten Schein zu bekommen. Die Seminare sind auch nicht so organisiert wie in Ungarn. Hier ist die Teilnehmerzahl gar nicht begrenzt, so ist es auch möglich, dass an einem Seminar einer beliebten Professorin oder eines beliebten Professors mehr als 100 Leute teilnehmen. Im Allgemeinen nehmen aber ungefähr 40-50 Studenten an einem Seminar teil, was natürlich unmöglich macht, dass alle Studenten ein Referat halten, welches aber unbedingt nötig für einen Schein wäre. Dieses Problem ist durch die Bildung von Lerngruppen gelöst, was ich für eine sehr gute Lernmethode halte. Man hat die Möglichkeit, die Ideen und Meinungen der Mitglieder der Gruppe über ein Thema kennen zu lernen. Man lernt auch Methoden, wie man am besten mit anderen Studenten zusammen arbeiten kann. Die Seminare sind aber richtig diskursmäßig organisiert. Die Professorinnen und Professoren geben nur Ansatzpunkte und stellen themaleitende Fragen, die Studenten müssen mit aktiver Teilnahme selbst das Seminar führen. Und wenn jemand müde oder einfach unkonzentriert ist, hat er die Möglichkeit, einfach für 5-10 Minuten den Raum zu verlassen und mit Kaffe oder Tee zurückzukommen, um dann wieder an der Veranstaltung aktiv teilzunehmen.
An der Universität Konstanz und wahrscheinlich an den meisten deutschen Universitäten läuft das Uni-Leben mit der Hilfe von Chip-Karten. Es gibt extra eine Karte für die Bücherausleihe in der Bibliothek, fürs Kopieren, für die Mensa und fürs Waschen in den Studentenheimen. Diese Karten ermöglichen die schnelle Bedienung der Studenten und sparen somit viel Zeit und Nerven.
Und da die finanziellen Bedingungen viel besser als in Ungarn sind, kann zum Beispiel die Bibliothek 24 Stunden lang den Studenten zur Verfügung stehen. Die unglaublich große Zahl an Literatur machen das Lernen einfach leicht und die Mediothek bietet fast alle Literaturen und Pflichtlektüren als Film an. Die separierten Räume sind mit Computern ausgestattet. Sie machen es leicht, möglich ruhig und ungestört zu lernen. Alle möglichen Lehrmaterialien und technischen Ausstattungen sind vorhanden.

Ich habe einige ausländische Germanistikstudentinnen gefragt, wie sie sich an der Universität Konstanz fühlen und wie sie die Veranstaltungen und das deutsche Bildungssystem an den Universitäten im Vergleich zu ihrem Heimatland finden.
Elene Ekikalishvili, aus Georgien, Germanistik

Ich komme aus der ehemaligen Sowjetunion, aus Georgien. Was mir am besten in Konstanz gefällt, ist, dass das Studium für mich demokratisiert ist. Ich meine damit die freie Auswahl der Lehrveranstaltungen, die für mich nach Georgien etwas Neues war. Man hat hier die freie Entscheidung, die Studenten werden als selbstständige Personen betrachtet, sie tragen schon Verantwortung für sich selbst, was ich in meinem Land an der Uni sehr vermisse. Bei uns muss man die Lehrveranstaltungen einfach besuchen und hat keine Möglichkeit selber Entscheidungen zu treffen. Schlüsselwort an unseren Universitäten ist Pflicht. In meinem Land existiert schon ein bestimmter Kanon, was man genau wissen soll. Die Regeln sind zu befolgen und es gibt keine Möglichkeit, frei über etwas zu entscheiden. Es ist auch Folge des kommunistischen Regimes. Man hat in Konstanz viel mehr Möglichkeit, Schreibfähigkeiten zu erlernen, was ich am Wichtigsten finde. Man lernt von einem bestimmten fachbezogenen Standpunkt aus zu denken und zu schreiben, das Andere muss man selbst antrainieren. In meinem Land ist das Bildungssystem mehr informationsorientiert. Dies trägt auch Vorteile und Nachteile in sich. Man hat von allem eigene Vorstellungen, aber manchmal sind die von keinem Fachwissen unterstützt. Wobei bei den Deutschen das Weltwissen fehlt. So wundert es mich sehr, dass ein Deutscher und sogar Literaturstudent nie von Lessings "Laokoon" gehört hat. Was selbst Germanistik und zwar Literaturwissenschaft betrifft, finde ich sehr nachhaltig und interessant, dass man hier in den Lehrveranstaltungen Kombinationen aus zwei Fächern, nämlich Literaturwissenschaft und Philosophie oder Soziologie macht.

Diana Rasina, aus Rumänien, Germanistik-Romanistik

Das erste Wort, was mir einfällt, ist Freiheit! Ich konnte hier meinen Studienplan selbst gestalten. Ich bin hier nicht gezwungen, 15 Lehrveranstaltungen pro Woche zu besuchen, von denen mir ein großer Teil keine Freude bereitet. Im Vergleich zu Rumänien, wo epochenübergreifende Lehrveranstaltungen angeboten werden, finde ich die Seminare an der Universität Konstanz weit gefächert. Sie setzen sich entweder mit einem Autor oder mit einer speziellen Problematik auseinander. Außerdem ist man hier als Studierende viel mehr auf sich selbst angewiesen. Die Meinung der Lehrenden geriet nicht als Maßstab, sondern man ist angehalten selber zu forschen und man legt viel Wert auf die eigene Meinung. Diese Freiheit fordert aber auch eine gewisse Disziplin, die später im Berufsleben von großem Nutzen sein wird.

Jaouad Mousser aus Marokko, Germanistik

An der Universität Konstanz lernt man, neben den fachlichen Informationen und dem Ausdruck mit einer Umgangssprache (die Hochsprache, wie wir von den deutschen Kommilitonen lernen, ist unökonomisch und folgerichtig unzeitgemäß) u.a. auch den Umgang mit den Grenzsituationen. Als erster Schritt in dieser Richtung ist das Wahrnehmen der Stadt und ihrer Universität als Endpunkt und gleichzeitig als Anfang. In Konstanz endet Deutschland (wer weiß, vielleicht beginnt dort die ganze "Sache") zumindest territorial und deshalb ist die Stadt blass... In Konstanz bzw. an der Universität fängt aber die Auseinandersetzung mit – in meinem Fall – einem neuen "System" an, dessen großer Vorteil - für einige ist es der Nachteil - "sloganhaft“ betont": "die Aufforderung der Individualität und Kreativität". Einigen ausländischen Studenten helfen allerdings die vielen Beratungsstellen nur in den formalen Angelegenheiten. Fachlich und methodisch muss man einige Male scheitern, um den richtigen Weg zu finden. In Konstanz endet Deutschland, deshalb lernt man das laute Schreien, in meinem Fall ist es vielleicht eine gute Übung, um meine Stimme nach meinem Land zu editieren.