Startseite | Impressum | Zeitung | Beiheft | Archiv nach Autoren | Archiv nach Rubriken








Zeitung << 2/2002 << Imre Kertész bekam den Literatur-Nobelpreis


Imre Kertész bekam den Literatur-Nobelpreis
Autorin: Mariann Bradák

Kertész ist der erste ungarische Schriftsteller, der mit dem Preis geehrt wurde. Der ungarische Schriftsteller Imre Kertész bekam den diesjährigen Nobelpreis für Literatur. In ihrer Begründung schreibt die Königliche Schwedische Akademie, dass Kertész für ein schriftstellerisches Werk ausgezeichnet wurde, das die zerbrechliche Erfahrung des Einzelnen gegenüber der barbarischen Willkür der Geschichte behauptet.

Die Hauptthemen des 72-jährigen Autors und Holocaustüberlebenden sind die Entsetzlichkei­ten des 20. Jahrhunderts, die Gehässigkeit, die Volksvernichtung, die Unmenschlichkeit. Auch in dem ersten durch sein bewegtes Leben inspirierten Werk steht der Holocaust im Mittelpunkt: Der Roman eines Schicksallosen (Sorstalanság), für den Kertész den Nobelpreis bekam. Es gehört zu den wichtigsten Werken der europäischen Literatur des 20. und auch des jungen 21. Jahrhunderts.
Als das Buch vor drei Jahren in einer glänzenden deutschen Übersetzung erschien, wurde es sofort zum Ereignis von literarischer Bedeutung und machte seinen Autor berühmt. Zumindest in Deutschland. In Ungarn wurde der Roman zwanzig Jahre früher veröffentlicht, aber eine literarische Anerkennung erhielt Imre Kertész in seinem Heimatland erst, als eine zweite Auflage in Ungarn 1985 herauskam. Nicht gesagt ist allerdings, dass der Name von Kertész vor dem Bekanntwerden der Preisverleihung jedem geläufig war. Der neue Nobelpreisträger hatte in Ungarn immer sein Publikum, einen gebildeten, freilich begrenzten Leserkreis, aber er galt nicht als Kultautor. Wie ist es möglich, dass die Werke eines so talentierten Schriftstellers im Ausland sehr gut aufgenommen, und im eigenen Land nicht genügend beachtet wurden? Vielleicht sind seine Werke in Deutschland deswegen bekannter als in Ungarn, weil er sehr viel Zeit in Berlin verbringt und seine Bücher in Europa in deutscher Sprache verbreitet worden sind. Die echten Gründe sind jedoch vielmehr in der Geschichte zu suchen. Kertész' literarische Tätigkeit gewann in Deutschland einen viel größeren Raum als in Ungarn, seine Werke wurden schnell populär, da für die Deutschen die Auseinandersetzung mit der historischen Vergangenheit von dem Kriegsende an bis heute eine bedeutende Rolle spielt. Im Gegensatz dazu blieb sein Lebensthema, der Holocaust, der ihn geprägt und gezeichnet hat, in der ungarischen Nachkriegswelt 40 Jahre lang tabu. "In Ungarn hat es diese Auseinandersetzung nicht gegeben, es herrscht bis heute ein Schweigekartell, eine Verdachtskultur. Ich konnte dort nicht arbeiten. Sie können sich die Zustände dort nicht vorstellen. Es herrscht offener Antisemitismus", sagte Kertész in Berlin nach der Preisverleihung. Auf die Frage, ob er nach der Verleihung des Nobelpreises ein anderer Mensch sein werde, meint der Autor: "Ich werde öffentlich ein anderer werden, innerlich nicht."
Die wichtigsten Werke von Imre Kertész:
Die Schicksallosen; Der Fiasko; Galeerentagebuch; Ich - ein anderer; Kaddisch für ein nicht geborenes Kind; Die englische Flagge; Eine Gedankenlänge Stille, während das Erschießungskommando neu lädt