Startseite | Impressum | Zeitung | Beiheft | Archiv nach Autoren | Archiv nach Rubriken








Zeitung << 2/2002 << Jugend ohne Gott oder Wie ich ein Neger wurde


Jugend ohne Gott oder Wie ich ein Neger wurde
Autorin: Gyöngyi Héjja

Wie überraschend es auch klingen mag, Jugend ohne Gott und Wie ich ein Neger wurde beziehen sich auf das gleiche Werk: Unter "Jugend ohne Gott" steckt der Originaltitel eines Romans von Ödön von Horváth, während "Wie ich ein Neger wurde" der Titel der ungarischen Übersetzung ist, der durch die Verfilmung des Werkes inspiriert wurde.

Als unsere Deutschlehrerin im Gymnasium vor ungefähr 6 Jahren uns mitteilte, dass wir bald den Roman eines österreichischen Autors, Jugend ohne Gott behandeln werden, war ich nicht besonders tief beeindruckt. Meine negative Einstellung hatte zwei Gründe: Einerseits beeinflusste mich der gewöhnliche Hass der Schüler auf Pflichtlektüren, andererseits die Assoziationen, die der Titel in mir erweckte. Ich war fest davon überzeugt, dass ich tagelang über Thesen lesen soll, in denen die rasche Veränderung der Welt und als deren Folge das Verschwinden der Moral der Jugend beschrieben werden. Ich erwartete hohlen Phrasen, denen man dank des öffentlichen Verkehrs jeden Tag mehrmals begegnet, lange Monologe alter Leute, die als fester Bestandteil immer die Wortverbindung "diese heutigen Jugendlichen" beinhalten. Die Zeit für die Bearbeitung des Werkes wurde immer knapper und ich hatte keine andere Wahl, ich musste das Buch schließlich in die Hand nehmen. Der Roman erwies sich aber als sehr spannend, und so geriet ich in die interessante Situation, dass ich viel mehr Zeit für dieses Hinauszögern des Lesens verschwendete, als die ich für das eigentliche Lesen des Buches später brauchte.
Die Geschichte spielt in nationalsozialistischer Atmosphäre, unmittelbar vor dem zweiten Weltkrieg. Der Protagonist ist ein junger Gymnasiallehrer, der der Wahrheit tief ins Auge schaut, dass die antisemitischen Ideen in der zeitgenössischen Gesellschaft einen immer größeren Raum gewinnen. Er muss merken, dass die durch die Medien, vor allem durch das Radio verbreitete Ideologie, bei seinen Schülern auf einen fruchtbaren Boden fällt. Ihre Hinwendung zu einer immer brutaleren und unmenschlicheren Haltung vollzieht sich schrittweise, von der Verachtung der Schwarzen bis zu einem Mord. Der Lehrer versucht anfangs noch diese "Entwicklung" zu hemmen, indem er seine Schüler auf die Tatsache aufmerksam machen will, dass die Neger doch auch Menschen seien. Seine erzieherische Tätigkeit wird aber leider nicht mit Erfolg gekrönt, er verliert dadurch sogar seinen Respekt vor den Kindern und wird beinahe aus dem Schuldienst entlassen. Um sich über Wasser halten zu können, braucht er die Arbeitsstelle unbedingt, und deswegen gibt er die Versuche auf, diesen traurigen Fortgang zu bremsen. Nach der Mordtat fühlt er sich aber nicht mehr bereit, die "Jugend ohne Gott" zu unterrichten, und fährt als Missionslehrer nach Afrika. Spätestens in diesem Moment wird es deutlich, was für Gründe den Übersetzer der ungarischen Ausgabe dazu bewogen, den Titel "Wie ich ein Neger wurde" zu wählen.
Das Lesen des Buches ist besonders empfehlenswert, wenn man sich über die Hitlerzeit informieren will, da im Werk sowohl die staatliche Gleichstellungsversuche, als auch die kriegerische Erziehung der jungen deutschen Bürger sehr gut zum Ausdruck kommen. Aber auch für diejenigen, die sich für die geschichtlichen Hintergründe nicht interessieren, lohnt es sich, den Roman zur Hand zu nehmen, da er auch eine spannende Kriminalgeschichte mit großen Überraschungen bietet.