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Zeitung << 2/2002 << Aus dem Leben eines ungarndeutschen Dorfes
Aus dem Leben eines ungarndeutschen Dorfes
Theresia Straub: Sitten und Bräuche im Jahreslauf in Jerking/Györköny
Autorin: Judit Straub
Es ist allen bewusst, dass die schönen alten Sitten und Bräuche, wenn sie nicht gepflegt und gesammelt werden, in Vergessenheit geraten. Um gerade das zu verhindern, ist der vorliegende Band erschienen.
In einem kleinen Dorf namens Györköny - auf schwäbisch Jerking - entstand der Bedarf, sowohl die alten Sitten und Bräuche, als auch Gedichte, Märchen, Kinderreime und Gebete zu sammeln. So entstand dieses Buch.
In der Einleitung des Bandes kann man die Geschichte des Dorfes nachlesen. Das Buch selbst ist in vier Teile aufgeteilt, und zwar nach den Jahreszeiten: Herbst, Winter, Frühling, Sommer. In diesen Teilen werden die wichtigsten Feiertage und die dazu gehörenden Bräuche beschrieben. Wir werden auch darüber informiert, wie die Einwohner ihr alltägliches Leben geführt haben.
Wer könnte ohne Scherz leben! Unsere Vorfahren haben sich auch manch lustige Sachen ausgedacht. Die Burschen haben zum Beispiel die Pferdekutsche ihrer zukünftigen Schwiegerväter in ganz kleine Teile zerlegt und diese in der Nacht auf dem Dachboden versteckt. Der Schwiegervater hat dann das ganze Dorf durchsucht, bis er die Kutsche, die wieder zusammengebaut werden musste, auf dem Dachboden gefunden hat. Es war üblich, dass die Mädchen die Jungen oft reingelegt haben, wofür sie natürlich das bekommen haben, was sie verdient haben! Da die Schuhe im Winter ganz schmutzig waren, haben alle ihre Holzschuhe vor der Haustür gelassen. Die Mädchen haben dann Wasser in die Schuhe der Burschen gegossen. Als die jungen Männer ihre Schuhe anziehen wollten, war das Wasser in ihnen schon gefroren. Die Burschen haben dann als Rache die „Rocksteka” der Mädchen gestohlen, die sie gegen einen Kuss zurückbekommen haben.
Es wird auch beschrieben, was die Leute damals erlitten haben. Immer wieder tauchen die Leiden der Aussiedlung und auch deren Konsequenzen auf. Man kann sich gar nicht vorstellen, was die Leute bei der Deportierung erlebt haben! Alle sagen, dass es die schrecklichste Zeit ihres Lebens war.
Im Anhang sind Rezepte enthalten, die ungefähr hundert Jahre alt sind und von unseren Urgroßmüttern stammen. Danach sind Gedichte, Kinderreime und Gebete zu lesen, natürlich in Mundart. Die Mütter haben bei dem Bettchen ihrer Kinder z.B. dieses Lied gesungen:
Schlof, Kindchen, schlof!
Der Vatr hiet die Schof,
Die Muttr hiet die Lämmetcha,
Du kriegst a klane Hemmetcha.
Abends haben die Kinder so gebetet:
Müde bin ich, geh zur Ruh
Schließe meine Auglein zu,
Vatr laß die Augen Dein
Über meine Bette sein.
Am Ende des Buches sind Photos zu sehen, die auch sehr alt sind, und uns davon berichten, wie sich die Leute früher gekleidet haben, wie sie gewohnt haben und wie ihr alltägliches Leben war.
Bei der Sammelarbeit wurden alte Leute gefragt, die sehr bereitwillig und mit Freude über ihr Leben erzählt haben. Wenn man das Buch liest, hat man das Gefühl, als ob die Leute neben einem stehen und die Geschichten selbst erzählen würden. Der Band lässt sich leicht lesen und auch bei Untersuchungen zur Dialektologie gut benutzen. Er wurde im Jahre 2002 in Jerking (Györköny) privat herausgegeben.
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