|
Zeitung << 2/2002 << Vegetarier leben länger
Vegetarier leben länger
Autorin: Mariann Lovas
In Deutschland wird immer weniger Fleisch gegessen. Der durchschnittliche Fleischkonsum der Bevölkerung ist auf knapp 60 Kilogramm gesunken. Bekannten sich im Jahre 1983 0,6 Prozent der Bevölkerung dazu, völlig auf Fleisch zu verzichten, sind es laut aktuellen Befragungen bereits 8 Prozent und damit umgerechnet 6 Millionen Bundesbürger. Dies bedeutet, dass jeder vierte Bundesbürger den Fleischkonsum reduziert hat. Unter den Jugendlichen essen 36 Prozent öfter vegetarisch. Die reinen Vegetarier sind demnach vor allem weiblich, jung und gut gebildet.
Bereits im Altertum tauchte der vegetarische Gedanke aus intellektuellen, ethischen und religiösen Überlegungen bei den großen griechischen Philosophen Pythagoras, Sokrates, und bei den Römern Ovid, Seneca, Vergil und Horaz auf. Im 15. Jahrhundert war es Leonardo da Vinci, der aus Tierliebe Fleisch aus seiner Ernährung verbannte. Jean Jacques Rousseau bemerkte, dass die starken Fleischesser im Allgemeinen grausamer und wilder seien als andere Menschen. Arthur Schopenhauer forderte Mitleid und Gerechtigkeit nicht nur gegenüber Menschen, sondern auch gegenüber den Tieren. Er verzichtete aus ethischen Gründen auf den Verzehr von Fleisch. Friedrich Nietzsche verbannte Fleisch ebenso aus seiner Ernährung. Gerade in unserer Zeit finden sich viele Vegetarier: Paul McCartney, Nina Hagen, Janet Jackson, Sinead O´Connor, Boris Becker.
Diese Art Ernährung kommt uns immer näher. Es ist nicht mehr so überraschend, wenn jemand in unserer Gesellschaft kein Fleisch isst. Auch unsere Bosch-Lektorin an der Universität Szeged, Jasmin Gross lebt schon seit 12 Jahren vegetarisch.
Inwieweit bist Du vegetarisch?
Ich bin Ovo-Lacto-Vegetarierin, das heißt, ich esse sowohl Eier als auch Milch. Allerdings keinen Fisch. Zur Erklärung sage ich den Leuten meist: "Ich esse nichts, was Augen hatte."
Was war der Grund dafür?
Als Jugendliche habe ich viel auf dem Bauernhof meiner Großmutter geholfen: die Tiere gefüttert, die Kühe gemolken, die Kälber mit auf die Welt gebracht. Wenn der Schlachter kam, um die Tiere zum Schlachten abzuholen, hat mir das immer sehr weh getan. So kam eigentlich der Entschluss, selbst kein Fleisch mehr zu essen. Ich wollte nicht, dass die Tiere wegen mir leiden müssen.
War es damals eine große Ernährungsumstellung für Dich?
Nein. Am Anfang war es manchmal schwierig, standhaft zu bleiben. Vor allem beim Geruch von Bratwürsten oder gegrilltem Hähnchen.
Lebt auch Deine Familie vegetarisch?
Nein, aber sie akzeptieren meine Entscheidung total. Ich werde von ihnen deshalb nie geneckt.
Was denkst Du, wirst Du Deine Kinder vegetarisch erziehen?
Ja, auf jeden Fall. Allerdings würde ich mich vorher genauestens informieren, was ich dabei genau beachten müsste. Ich kenne eine Familie (sogar eine ungarische!), bei der die Kinder noch nie ein Stück Fleisch gegessen haben. Mittlerweile sind sie erwachsen und sehen ziemlich gesund aus!
Hast Du eine Lieblingsspeise?
Ich selbst bin überhaupt keine begeisterte Köchin. Ich esse eben sehr viel frisches Obst und Gemüse, Nudeln und Reis. Aber ich liebe "rántott sajt", der schmeckt in Ungarn viel, viel besser als in Deutschland.
In zahlreichen Studien wurde bewiesen, dass Vegetarier gesünder leben als Nicht-Vegetarier. Mehrere Untersuchungen aus Deutschland, Großbritannien und den USA haben gezeigt, dass sie im Vergleich zu ”Normalessern” viel seltener an Krebs oder Herzinfarkt sterben. Sie leben im Schnitt ein bis zwei Jahre länger. Worauf sollte man bei Vollwerternährung besonders achten? In Milch und Milchprodukten ist sehr viel Calcium enthalten, das ein wichtiger Baustein für Knochen und Zähne ist. Für Vitamin D und Eiweiß ist Milch auch eine wichtige Quelle. Milchsäurebakterien aus Joghurt fördern die Verdauung und sind damit ein gesundheitsfördernder Bestandteil der vegetarischen Ernährung. Bei der Auswahl sollte auf besonders fettarme Sorten geachtet werden! Mit Rohmilch sollte man vorsichtig sein, weil sie Keime enthalten kann, die Personen mit schwachem Immunsystem schaden könnten.
Vielen Menschen stellt sich die Frage, ob sie ihren Eisenbedarf mit vegetarischer Ernährung decken können. Die Antwort ist ja! Linsen, Vollkornbrote und unter Kräutern die Petersilie sind eisenreiche Lebensmittel. Vitamin C erhöht die Eisenaufnahme aus pflanzlichen Lebensmitteln; d.h. ein Glas Orangensaft zum Gemüse; Vollkornbrot hilft, den Tagesbedarf an Eisen zu decken. Auch Brokkoli, Paprika oder Rosenkohl fördern durch ihren hohen Vitamin-C-Gehalt die Aufnahme von Eisen. Schwarztee und Kaffee sollten nicht zu eisenreichen Speisen getrunken werden. Sie sind sogenannte ”Eisenräuber”, deren Inhaltsstoffe die Eisenaufnahme verhindern.
Vor allem Mädchen in der Pubertät leiden an großem Eisenmangel, deshalb wird sehr oft gefragt, ob auch sie vegetarisch leben dürfen. Sofern ein entsprechendes Ernährungswissen vorhanden ist, ist es kein Problem für Teens fleischlos zu leben. Allerdings sollte es dann in jedem Fall die ovo-lacto-vegetarische Vollwerternährung, d.h. mit Milch und Ei, berücksichtigt werden. Bei Veganern, die rein pflanzlicher Kost ohne jegliche tierische Herkunft zu sich nehmen, ist die Zufuhr von Eisen, Jod und Vitamin B gefährdet. Bei bewusster Lebensmittel-Auswahl ist die Gefahr einer Fehlernährung jedoch als sehr unwahrscheinlich einzuschätzen.
Die Situation von Schwangeren und Kleinkindern sieht ganz anders aus. Sie gehören wegen ihres erhöhten Nährstoffbedarfs zu den sogenannten ”Risikogruppen”. Sie können sich dann laktovegetabil ernähren, wenn sie auf die vollwertige Kost achten. In dieser Konstellation stellt diese Art der Ernährung hohe Anforderungen an das Ernährungswissen. Wenn sie sich vollwertig ernähren, sind keine Mangelerscheinungen zu befürchten. Aber eine vegane Kost kann problematisch sein und ist daher nicht zu empfehlen.
Oft hört man, dass sich Vegetarier viel im Freien aufhalten sollen. Dies ist richtig und gilt nicht nur für Vegetarier. Für die Stabilität der Knochen braucht der Körper viel Vitamin D. Es wirkt regulierend auf das Abwehrsystem. Spinat, Kohlarten und Pilze sind reich an Provitamin D. Damit es im Körper in wirksames Vitamin D umgewandelt wird, braucht der Körper die Unterstützung von Sonnenlicht. Die Umwandlungsort ist die Haut. Es sollte darauf geachtet werden, dass möglichst viel Tageslicht die Haut erreicht. Ein Spaziergang an der frischen Luft ist nach dem Essen angesagt!
Zum Schluss empfehle ich das Buch Die Vegane Küche von Ingrid Newkirk. Dieses Buch bietet eine Fülle von leicht nachkochbaren Rezepten. Die Zutaten sind nicht schwer zu bekommen. Die Gerichte schmecken mir wirklich gut. Und sie sind nicht nur gesund, sondern empfehlenswert für alle Anfänger und auch Fortgeschrittene, die sich öfter der Frage ”Und was kochen wir denn heute?” ausgesetzt sehen. Mit diesem Buch fällt nur noch die Entscheidung schwer, welches der Gerichte am besten schmeckt.
|
|