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Zeitung << 1/2002 << Bamberg – einmal anders
Bamberg – einmal anders
Autor: Gábor Morvai
Der werte Leser soll nicht mit geschichtlichen und kulturellen Daten überhäuft werden, die in Reiseführern und Geschichtsbüchern in Hülle und Fülle zur Verfügung stehen. Es ist jedoch erwähnenswert, dass die gesamte von dem Unheil der beiden Weltkriege verschont gebliebene Altstadt Bambergs im Jahre 1993 in die von der UNESCO erstellte Liste des Weltkulturerbes Aufnahme fand. Doch was wäre ein Juwel ohne Fassung? Das "fränkische Rom" auf seinen sieben Hügeln, mit seinem "kleinen Venedig", liegt eingebettet in einer traumhaften Umgebung, deren Reiz nicht nur die Landschaft ausmacht, sondern auch ihre unzähligen Kunstdenkmäler. Im Osten lockt die Fränkische Schweiz mit ihren schlanken, zackigen Felsformationen, im Norden das Obere Maintal, nicht umsonst "Gottesgarten" genannt. Im Westen liegt der Steigerwald, in dem sich die Zisterzienser niederließen und an dessen Rand der Fürstbischof sein Privatschloss "Weißenstein" bauen ließ. Allemal kann man Bamberg und seine Umgebung als ein Gesamtkunstwerk ansehen, das kennen zu lernen sich lohnt.
Zur Universitätsstadt wurde Bamberg 1773, als Papst Clemens XIV. die Gesellschaft Jesu, wie sich die Jesuiten nannten, u.a. wegen ihrer unerbittlichen Missionspolitik auflöste. Die Wohnheimgebäude wurden zur Universität und das sind sie bis heute geblieben. Mit dieser winzigen kulturgeschichtlichen Einführung mag die Neugierde auf ein persönliches Kennenlernen wohl erweckt sein!
Vor gut anderthalb Jahren stand ich an der Schwelle zum von vielen gefürchteten Rigorosum und ahnte schon voraus, dass der erste Versuch wohl fehlschlagen würde. Meine Befürchtung hat sich erfreulicherweise bewahrheitet! Ja, tatsächlich hat mir die Konsequenz meines Misserfolges schließlich unheimlich viel Freude bereitet und ließ eine neue, herzenstiefe Liebe entflammen: zwischen Bamberg und mir. Lasse ich die letzten anderthalb Jahre Revue passieren, kommt es mir aufgrund der Erlebnisdichte an, als wären es ganze Jahrhunderte.
Nach einer sechzehnstündigen Busreise stieg ich am Bahnhof aus, winkte ein Taxi heran und fuhr ins Pestheim. Es hört sich furchterregend an, aber das gute, alte Wohnheim kann nichts dafür. Sein abschreckender Name ist der „Abkürzungspest“ zu verdanken, der alle Sprachen anheimfallen. Es hagelte Abkürzungen und der einzige Weg, um sich zu schützen, ist schlichtweg sich mit ihnen vertraut zu machen. Manch einen O-Saft (Orangensaft), KiBa-Saft (Kirsch-Bananensaft) oder gar ein kühles U (ungesprudeltes Bier) habe ich auf den Terassen der zahllosen Uni-Cafes (Café Jenseits, Hof Café, Café Espress) oder in den Bierkellern (Spezi Keller, Mahrs Bräu, Kesmann, Fässla) bestellt. Als Hiwi (wissenschaftlicher Hilfsarbeiter) übersetzte ich die Soziologieabhandlungen von Herrn Prof. Vaskovics aus dem Deutschen ins Ungarische und die Feki Uni (die Universitätsgebäude auf der Feldkirchenstraße) mit ihren einladenden, verlockenden Vorlesungen und Tutorien dient als Alternative, wenn das Wetter noch nicht "bierkellerreif" ist.
Im „Asylheim“, wie unser Pestheim in eingeweihten Kreisen noch genannt wird, und zwar wegen der steil anwachsenden Auslandsstudentenzahl, ist das Studentenleben wesentlich mäßiger als im Szegeder Móra-Heim. Die Einzelzimmer hindern das gesellige Beisammensein und manchmal sehne ich mich nach dem „Vierer-Gespann“ in Szeged, obwohl ein eigenes Zimmer mit vielen Vorteilen einhergeht. Sogar für den Küchenschlüssel muss man sich hierzulande auf eine Liste eintragen und Partytime ist bis um elf Uhr, was wiederum strengstens von Herrn Endres, dem Hausmeister, kontrolliert wird. Pünktlich um 11 erscheint er in der Küche und fordert die Gruppe in einem freundlichen Ton und unverständlichen, oberfränkischen Dialekt auf, dass man mit der Fete zum Schluss kommen solle. Wenn es den Leuten nach Fortsetzung zu Mute ist, dann springt man auf die Drahtesel und ab geht es in die Innenstadt! Vor lauter Kneipen und Clubs ist es oft nicht leicht, sich für die eine oder die andere Kneipe zu entscheiden. Der Treffpunkt schlechthin ist der Tapas Keller, wo einer jahrelangen Tradition zu Folge die Erasmus-, DAAD- und sonstigen Stipendiaten mit den deutschen Studenten zusammen feiern.
Aber Ordnung und Pünktlichkeit werden in Bamberg großgeschrieben! Die Lokale schließen pünktlich um 1 Uhr früh. Es sind meistens die feiersüchtigen Spanier, die ihrem Unmut lauthals preisgeben, da es in Spanien gang und gäbe ist, erst um 12 Uhr Mitternacht loszulegen und bis in die Morgendämmerung hinein zu feiern.
Auf die Beleuchtung des Drahtesels muss man besonders Acht geben. Ohne Licht zu fahren, kostet im Nu 10 Euro und die Strafe ist NICHT verhandelbar. Auf gar keinen Fall sollte man das Schicksal noch obendrein mit Schmiergeld herausfordern, denn das macht die ehrenwerten Beamten erst recht zornig und kann schmerzhaft teuer werden! Übrigens kostet bei Rot über eine Kreuzung zu fahren 85 Euro, und Handytelefonate während des Radelns werden mit 30 Euro Strafe geahndet.
Das Akademische Auslandsamt nimmt sich der Auslandsstudenten sehr gewissenhaft an und sorgt für ein abwechslungsreiches Programm mit Ausflügen u.a. nach Berlin, Würzburg, Frankfurt oder Prag. Eine prachtvolle Weihnachtsfeier mit Blechmusik, Glühwein, Freibier und Brezlä (Brezel auf oberfränkisch) findet jährlich in der Festaula statt.
Man kann aber nicht von der Hand in den Mund leben. Bei den Erwerbsmöglichkeiten in Bamberg steht die Firma BOSCH an erster Stelle, die ihren Arbeitskräftemangel in der Urlaubszeit mit Studenten zu lindern versucht. Über das Geld kann man ja nicht meckern. 2225 Euro pro Monat ist ein studentischer Durchschnittslohn, wenn man bereit ist, sich auch an Wochenenden oder gar in Nachtschicht zu „opfern“. „Brauchst du etwa ein paar Groschen, dann geh` mal schnell ein wenig boschen“! Wem aber die Fließbandarbeit nicht gefällt, muss noch lange nicht verzweifeln. Ab Mai bis Ende September kann man garantiert in dem einen oder anderen Bierkeller oder Cafe kellnern. Allerdings liegt da der Stundenlohn selten über 6 Euro, jedoch wird das Trinkgeld vom Wirt nicht angerührt. Somit rundet sich das noch auf 7 bis 10 Euro Stundenlohn, je nach Bewirtungsstätte. „Überlebt“ man finanziell und auch prüfungsmäßig die ersten zwei Jahre aus dem Grundstudium, darf man ruhig Hoffnungen auf ein Stipendium hegen. Wenn man die Mühe nicht scheut, zahllose Formulare und Bewerbungen auszufüllen, hat man gute Aussichten, denn die Deutschen sind bereits bewerbungsmüde, da sie durch das BAFöG mit 500 Euro monatlich verwöhnt werden.
Also liebe Leute, wer beim DAAD abgeblitzt ist, soll den Kopf nicht hängen lassen. Es bedarf einer gewissen Portion Abenteuerlust und ein paar Groschen in der Tasche, aber mehr ist für ein ertragreiches, abenteuervolles Studium in Deutschland nicht vonnöten!
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