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Zeitung << 1/2001 << Max Frisch: Andorra


Buchempfehlung - Max Frisch: Andorra
Autorin: Edit Palyusik

Als wir an einem Dienstag im Seminar Studentenzeitung saßen und über unsere Zeitung diskutierten, kam eine Idee von uns: in dieser Zeitung sollte man auch Bücher empfehlen. „Ein Buch empfehlen...“Na ja! Aber welches? Von wem? Zuerst wollten wir ein relativ neues Buch von einem deutschen Autor empfehlen, aber schnell stellte sich heraus, dass niemand in der letzten Zeit etwas wirklich Neues las. Also müssen wir ein etwas Älteres nehmen. Im Studen-tenwohnheim dachte ich nach und mir fiel etwas ein: Das Buch von Max Frisch mit dem Titel Andorra. Vielleicht ist es keine schlech-te Idee über ein solches Buch zu schreiben, das Pflichtliteratur ist. Das Buch las ich vor etwa zwei Jahren, aber ich erinnere mich noch genau an seine Handlung.
Das Stück spielt in Andorra, wo nette, liebe Menschen leben. Die Hauptfigur ist Andri, der als ein Findelkind von Can und Cans Frau erzogen wird, aber weder Andri, noch seine Stiefschwester Barblin wissen, dass sie ei-gentlich keine Geschwister sind. Die Wahr-heit bliebe vielleicht ewig ein Geheimnis, wenn die beiden einander nicht liebten. Die Mutter aber erzählt ihr die Geschichte, die sie von ihrem Mann hörte: Can rettete Andri als jüdisches Baby vor den deutschen Solda-ten. Sie sagt, dass Barblin und Andri nicht Geschwister seien, einander also lieben dür-fen. Nach einer Weile stellt es sich aber her-aus, dass der Vater – der in der Schule als Lehrer lehrt, dass die Wahrheit die wichtigste Sache des Lebens sei – seine Familie 20 Jahre lang belog. Er hatte keinen Mut zu erzählen, dass Andri sein eigener Sohn von einer ande-ren Frau ist. Auch jetzt hat er keinen Mut das zu erzählen, er sagt einfach nein, als Andri ihn um die Hand Barblins bietet. Andri und Barblin können nicht heiraten. Der Junge ist enttäuscht, das Mädchen möchte sich um-bringen.
Die Andorraner verhalten sich gegenüber Andri sehr komisch. Der Tischler möchte ihn nicht ausbilden. Ein Soldat hasst ihn, denn auch er ist in Barblin verliebt. Niemand möchte, dass ein Jude unter ihnen lebt. Sie wissen noch nicht, dass Andri kein Jude ist.
Auf einmal erscheint Andris Mutter im Leben ihres Sohnes. Sie möchte mit Andri sprechen, ihm über die Vergangenheit erzählen, aber bevor sie ihren Sohn treffen kann, tötet sie jemand. Andri erfährt von der Wahrheit nichts. Er fühlt sich ausgeschlossen, weiß nicht, warum er anders ist, warum es ein Pro-blem darstellt, dass er ein Jude ist. Nach dem Gespräch mit dem Pater akzeptiert er, dass er so ist, wie er ist und will nichts mehr dagegen tun. Nach dem Tod von Andris Mutter muss aber Can alles erzählen, aber Andri glaubt ihm nicht, er will nicht mehr anders (kein Ju-de) sein. Er sagt, er sei ein Jude und deshalb nicht der Sohn Cans.
Die „netten, lieben“ Andorraner wollen be-weisen, dass Andri ein Jude ist, deshalb wird in Andorra eine Judenschau abgehalten, bei der Andri getötet wird. Ein Mensch wird zum Juden gemacht. Die Hauptfrage ist nicht WAS die Andorraner machten, sondern WIE sie es machten. Sie hatten Vorurteile, kein Bedauern, kein Mitgefühl, keine Einsicht, nicht einmal positive Gefühle und hassten die Juden. Andri wurde zum Juden gemacht und dann einfach getötet.
Warum empfehle ich dieses Buch? Erstens, weil es mir bis heute gefällt, zweitens, weil ich glaube, dass die Geschichte auch heute noch aktuell ist. Schauen wir uns um! Nicht nur Andri ist der Mensch, den seine Umwelt so lange zum Anderssein zwingt, bis er es als sein Schicksal akzeptiert. Gott sei Dank wirkt das Bekenntnis zum Judentum nicht mehr als Bedrohung und ist nicht mehr so aktuell wie vor 70 oder 80 Jahren, aber man kann natür-lich wegen anderer Dinge oder Eigenschaften gehasst werden.