|
Beiheft WS 2006/2007 << Studiensysteme der Germanistik in Szeged damals und heute
Studiensysteme der Germanistik in Szeged damals und heute
Autorin: Adrienn Polyák
50 Jahre sind am Institut vergangen. Aktuell ist die Einführung des neuen BA-MA-Systems. Die Implementierung des dreistufigen Systems von Bologna brachte viele Veränderungen mit sich, doch wie waren die Verhältnisse in der Vergangenheit? Dieser Artikel versucht darzustellen, was für Studiensysteme es gab, von den fünfziger Jahren bis heute.
Wie lassen sich die alten Studiensysteme rekonstruieren? Man verbringt ein paar Tage in der Bibliothek, sucht einige Leute auf und hat schließlich nur noch mehr Fragen als zu Beginn. Darum ist dieser Text nur ein Überblick, der die wichtigsten Veränderungen und Unterschiede geschildert werden.
Wieviel Studenten? Wie viel Lehrveranstaltungen?
Das Leben des Lehrstuhls begann mit nur ein paar Leuten, gerade genug, um ein Seminar zu füllen. Da es so wenige Studenten gab, wurde ein fixer Stundenplan erstellt und verteilt. Bis Mitte der 60er Jahre bot das Institut nur 12-20 verschiedene Lehrveranstaltungen in einem Semester an, hauptsächlich die obligatorischen und hie und da ein oder zwei Spezialvorlesungen. Später stieg die Stundenzahl auf 20-40, und die Explosion der Studentenzahl (vgl. das Diagramm) brachte auch die Explosion der Stundenzahl mit sich: Im Wintersemester 1995/1996 zum Beispiel wurden 105 verschiedene Lehrveranstaltungen angekündigt, 197 im Wintersemester 2006/2007. Der Stundenplan wurde erst nach 1992/93 flexibler. Früher wurden verschiedene Gruppen entsprechend den Zweitfächern gebildet, und jede Gruppe bekam ihren eigenen Stundenplan. Nach 1992 wählte man Vorlesungen und Seminare aufgrund von Zeitpunkt und Leiter, nach der Grundprüfung auch aufgrund der Themen, was auch so blieb und nun auch für das erste Studienjahr des Bakkalaureats gilt.
Deutsch oder Ungarisch?
Anfangs in den 50er und 60er Jahren waren die Sprachkenntnisse der Studenten ziemlich mangelhaft, dementsprechend sprach man meist ungarisch in den Seminaren, nur die Vorlesungen und die Sprachübungen wurden auf Deutsch gehalten. Das änderte sich in den siebziger Jahren. Von da an war auch die Unterrichtssprache überall Deutsch, was sich nicht geändert hat.
Germanistik allein?
Bis 1993 gab es kein unabhängiges Fach Germanistik, man musste also daneben noch ein Fach studieren. In Ausnahmefällen konnte man allerdings mit der Erlaubnis des Dekans eines seiner Fächer abgeben, musste aber zusätzliche Leistungen im anderen erbringen. Ab 1993 wurden am Institut Deutschlehrer ausgebildet, die nur ein Fach hatten und ihr Studium in drei Jahren absolvieren konnten. Diese Studienform ist in den Vorlesungsverzeichnissen bis zum Wintersemester 1998/99 zu finden. Auch danach war es möglich, Germanistik als alleiniges Fach zu studieren, aber es dauerte bereits vier Jahre. In dem neuesten System ist das aber nicht möglich. Wer Deutsch unterrichten möchte, darf sich nicht innerhalb der Germanistik spezialisieren, sondern muss ein zweites Fach belegen. Wer dagegen nicht den Lehrerberuf anstrebt, kann als Nebenfach aus den deutschen Spezialisationen wählen und nichts anderes als Germanistik studieren.
Mit oder ohne Lehramt?
Das Lehramt war für Germanistikstudenten eine lange Zeit verpflichtend. Das bedeutete schon von Anfang an Psychologie, Erziehungsgeschichte und Methodologie. Früher musste man bei dem Staatsexamen in beiden Fächern eine Prüfung ablegen, seit den 90er Jahren bis 2006 hatte man in diesen Fächern eine Zwischenprüfung am Ende des 6. Semesters.
Man kann Germanistik ohne Lehramt seit 1993 studieren. Das ist auch im neuesten System möglich. Das Lehramt ist aber von nun an Teil der MA-Stufe, und was noch ein wesentlicher Unterschied ist: dazu wird auch eine halbjährige Praxis in einer Schule gehören.
Allgemeinbildung oder Marxismus-Leninismus?
Eines steht fest: An der Uni musste und muss man außer den Lehrveranstaltungen in seinen Fächern auch andere Lehrveranstaltungen belegen. Das dient der Allgemeinbildung. Diese zusätzlichen Vorlesungen waren in dem Zeitraum 1956-1989 strikt festgelegt: Politische Ökonomie, Wissenschaftlicher Sozialismus, Philosophie. Philosophie ist übrigens seitdem noch immer obligatorisch, aber nur der Name blieb gleich. Vor 1989 war Philosophie gleichbedeutend mit Marxismus und Leninismus. Heute sind Marxismus und Leninismus nur ein winziger Bestandteil der Philosophiekurse.
Zwischen 1992 und 2002 waren folgende Lehrveranstaltungen zur Allgemeinbildung obligatorisch: drei Semester Philosophie, ein Semester Soziologie, ein Semester politische Theorie, ein Semester Ökonomie/ Logik/ Ethik/ Wissenschaftstheorie, zwei Semester Psychologie.
Zwischen 2002 und 2006 ist das System der Kurse zur Allgemeinbildung so kompliziert, dass es sich hier nicht beschreiben lässt. Im Bakkalaureatsstudium sind zehn Kreditpunkte, die man beliebig verwenden kann, dafür vorgesehen.
Grundprüfung, Zwischenprüfungen, Staatsexamen
Die Grundprüfung findet man erst im Vorlesungsverzeichnis des Studienjahres 1981/82. Nach 1992 enthält die Grundprüfung Grammatik, Landeskunde, Lese- und Hörverstehen und auch einen mündlichen Teil. Später wurde die Landeskunde gestrichen. Die Grundprüfung dient dazu, die Sprachkenntnisse zu messen, sollte also ungefähr so aussehen, wie oben erwähnt, was den Zeitraum vor 1992 und ab 2006 betrifft. Seit diesem Semester (Wintersemester 2006/2007) gehören folgende Teile zur Grundprüfung der Germanistik der Universität Szeged: Grammatik, Leseverstehen, Hörverstehen, Schreiben und ein mündlicher Teil.
Bis 1989 hatten die Germanisten drei Zwischenprüfungen (und ab 1982 auch die Grundprüfung): in Literatur und Linguistik am Ende des 4. und 8. Semesters und in Wissenschaftlicher Sozialismus nach dem 9. Semester. Nach der Universitas-Reform gab es drei Studienabschnitte für Germanistikstudenten der Philosophischen Fakultät: Die erste endete mit der Grundprüfung. Die zweite endete nach dem 8. Semester mit einer komplexen Zwischenprüfung in Literaturwissenschaft und Linguistik, die dritte endete mit dem Staatsexamen. Im neuen System ist bis jetzt nur die Grundprüfung sicher; ob man andere Zwischenprüfungen bestehen muss oder nicht, wird sich erst herausstellen. Zwischen 1992 und 2006 gab es eine Veränderung in der Ordnung der Zwischenprüfungen: Linguistik am Ende des 6. Semesters, Literatur dann im vierten Studienjahr.
Eine Lehrveranstaltung oder ein Jahr wiederholen?
Vor 1992 bedeutete ein drittes Durchfallen in demselben Fach und in demselben Semester, ein ganzes Jahr wiederholen zu müssen. Dann wurde das Studium in drei Phasen aufgeteilt, und wenn ein Kurs nicht absolvieren werden konnte, durfte man es im nächsten Semester wieder versuchen, wenn es in derselben Phase noch möglich war, und durfte mit den anderen vorgesehenen Vorlesungen und Seminaren weitermachen. Das ist noch heute so, aber es gibt Restriktionen: man darf einen Kurs nur dreimal belegen, beim vierten Mal braucht man die Erlaubnis des Dekans. Danach wird man von der Universität verwiesen.
Wendepunkte
1956 Die Geschichte des Instituts beginnt neu. Neu, weil zwischen dem 2. Weltkrieg und 1956 die Germanistik sozusagen auf Eis gelegt war. Eines der Ergebnisse der Revolution war, dass die Germanistikinstitute des Landes wieder reorganisiert wurden.
1989 Die Wende. Wissenschaftlicher Sozialismus, Politische Ökonomie und (Marxistische) Philosophie sind nicht mehr Pflichtfächer.
1991 Universitas, eine Erklärung der ungarischen Universitäten, das Studiensystem umzustrukturieren, um sich an die anderen Studiensysteme in Europa anzupassen. Die Umstrukturierung wird 1992/93 verwirklicht.
2001 Das ETR (Einheitliches Studiensystem) wird vorgestellt. Dieses Computerprogramm speichert die Daten der Studenten, ihre Stundenpläne. Die Studenten können mittels Computer in Kontakt miteinander, mit den Lehrenden und mit den anderen Institutionen der Universität treten.
2002 Das Kreditsystem wird an der Universität Szeged eingeführt. Die Kurse wurden mit Kreditpunktezahlen versehen. Ein Kredit bedeutet 30 Arbeitsstunden in einem Semester und das enthält den Besuch einer Vorlesung oder eines Seminars, Hausaufgaben, Recherchieren in der Bibliothek usw.
2006 Das erste Studienjahr beginnt mit dem Bakkalaureatsstudium. Das ganze Studiensystem Ungarns wird anhand einer 1999 in Bologna von 45 Ländern unterschriebenen Vereinbarung verändert. Das Ziel dieses Planes ist es, ein einheitliches, vergleichbares und durchlässiges Studiensystem in Europa aufzubauen. Das neue System besteht aus drei Stufen: BA (Bakkalaureat), MA (Magisterium), PhD (Doktorat). Vieles (etwa das Curriculum des Magisteriums) ist bis jetzt noch nicht ausgearbeitet, deshalb kann hier nur die BA-Stufe vorgestellt werden. Dieses Grundstudium dauert 6 Semester lang und bietet eine praxisorientierte Ausbildung. Wer sich danach weiter mit der Wissenschaft beschäftigen will und zugelassen wird, kann das Magisterstudium daran anhängen. Man muss in der BA-Stufe insgesamt 180 Kreditpunkte erwerben, davon 120 im Haupt- oder Majorfach, 50 im Neben- oder Minorfach und 10 in beliebigen Lehrveranstaltungen. Alle Fächer haben Haupt- und Nebenfachvarianten und Spezialisationen. In der Germanistik schaut das konkret folgendermaßen aus: jeweils als Haupt- oder Nebenfach kann man studieren: Germanistik, Deutsche Nationalitäten und die Spezialisationen (Deutschsprachige Kulturen, Österreichische Literatur und Kultur). Man belegt ein Fach, das das Hauptfach ist. Ein Jahr später muss man sich entscheiden, welches Nebenfach man belegen möchte, wobei die Spezialisationen auch als Nebenfach gelten können. Die verbliebenen 10 Kreditpunkte können beliebig verwendet werden, doch wer das Lehreramt machen will, muss schon einige Kredite von den 10 dafür opfern.
|
|
|